An das Bett gefesselt aufwachen
Seufzend schloss ich die Tür hinter mir, obwohl es kaum einen Unterschied machte. Privatsphäre war ein Luxus, den niemand in diesem Haus genießen durfte.
Am allerwenigsten ich.
Ich machte mir nicht die Mühe, eine Kerze anzuzünden. Ich bewegte mich instinktiv, schälte das erstickende Kleid ab, löste das Korsett, bis ich endlich Luft in meine Lungen ziehen konnte. Meine Rippen schmerzten. Meine Oberschenkel brannten. Jeder Zentimeter meiner Haut fühlte sich geprellt an – an manchen Stellen von Shallows Händen, an anderen nur vor Angst.
Im Badezimmer füllte ich die Wanne mit zu heißem Wasser, stieg hinein und sank hinab, bis das Wasser mein Kinn küsste.
Die Hitze hätte mich beruhigen sollen. Tat sie aber nicht.
Meine Gedanken waren tausend reißende Drähte.
Was dachte er sich dabei, sich so einzumischen? Glaubte Damien wirklich, ich bräuchte einen Retter? Dachte er, ich wäre zu schwach, um das allein zu überleben?
Und schlimmer noch – warum wünschte ein Teil von mir, er hätte nicht aufgehört? Dass er mehr gesagt hätte? Mehr getan hätte?
Ekel kroch mir die Kehle hinauf.
Ich war kein verträumter Narr. Ich brauchte keinen Mann, der mich beanspruchte. Ich wollte nicht die Aufmerksamkeit, das Mitleid oder das Verlangen, das ich in seinen Augen gesehen hatte.
Ich wollte nur überleben.
Und doch...
Seine Stimme hallte noch immer in meinem Kopf.
„Du warst nie dazu bestimmt, einem Mann wie ihm zu gehören.“
Ich schloss die Augen und fühlte, wie sich etwas Verräterisches in meinem Magen drehte.
Nein.
Nein.
Ich ließ das Badewasser ab, stieg in die Dusche und schrubbte meine Haut, bis sie brannte. Als könnte ich die Erinnerung auslöschen. Als könnte ich die Scham mit Gewalt herausschneiden.
Als ich schließlich ins Bett kroch, war mein Körper schwer vor Erschöpfung.
Ich sah zur Tür.
Ich könnte sie abschließen.
Aber das würde es nur schlimmer machen.
Er hatte mich bisher nicht mehr als geschlagen, aber heute Abend? Er war betrunken. Wütend. Vor allen gedemütigt. Er könnte mehr tun, ich will nicht, dass er heute damit anfängt. Ich hoffe nur, dass er nicht kommt.
Bitte, dachte ich, drückte meine Wange ans Kissen, bitte, bleib heute Nacht einfach weg von mir.
Für einen Moment erlaubte ich mir, ein anderes Leben vorzustellen. Ein Leben, in dem mein Mann sanft war. In dem mich niemand ohne Freundlichkeit berührte. In dem meine Haut nicht bei der Vorstellung einer Hand auf meinem Gesicht zuckte.
Für einen Moment erlaubte ich mir, ein anderes Leben vorzustellen.
Ein Leben, in dem mein Mann freundlich war. In dem mich niemand ohne Grausamkeit berührte. In dem ich die Augen schließen konnte, ohne mich auf Schmerz vorzubereiten.
Ein Leben, in dem meine Haut nicht bei der Vorstellung einer Hand auf meinem Gesicht zuckte.
Doch dann – Damiens Augen.
Sie tauchten hinter meinen geschlossenen Lidern auf, klar wie eine Erinnerung. Dieses unmögliche Grau, kälter als der Winter, heißer als das Feuer. Wie er mich ansah – als wäre ich etwas Kostbares und Zerbrechliches, etwas, das er bereits beansprucht hatte, ob ich wollte oder nicht.
Ein Schauer lief mir den Rücken hinunter.
Ich wollte nicht daran denken.
Aber das Bild weigerte sich zu verschwinden.
Unser Kuss auf dem Balkon…
Mein Atem stockte.
Noch nie zuvor war ich so geküsst worden.
Nicht hastig. Nicht unachtsam. Nicht grausam.
Er küsste mich, als würde er nach etwas suchen, das er verloren hatte. Als müsste er beweisen, dass es real war. Als würde er mich bereits kennen – jede versteckte Stelle, die ich zu verbergen versucht hatte.
Ich fühlte mich…
Gewollt.
Geschätzt.
Besessen.
Die Erinnerung brannte in mir, heiß und kalt zugleich.
Ich schloss die Augen noch fester, als könnte ich das Echo seiner Lippen auf meinen auslöschen, die Art, wie seine Hände mein Gesicht so vorsichtig umrahmten – als wäre ich etwas Zerbrechliches, das er nie wieder zerbrechen lassen würde.
Hör auf, daran zu denken.
Ich durfte das nicht fühlen.
Ich durfte nichts von ihm wollen.
Und doch—
Mein Herz weigerte sich zuzuhören.
Ich bin so ein Narr.
Meine Brust zog sich zusammen, zu voll, zu leer.
Ich hasse das.
Ich hasse dieses Haus.
Ich hasse, dass ein Teil von mir – ein erbärmlicher, gebrochener Teil – mehr will.
Meine Kehle schmerzte vor unvergossenen Tränen.
Aber ich weinte nicht.
Ich war so müde.
Zu müde, um zu kämpfen.
Der Schlaf überkam mich, bevor ich mich daran erinnern konnte, wie ich ihm widerstehen sollte.
Irgendwann tief in der Nacht spürte ich es – eine raue Berührung, die über die Haut meines Arms strich.
Zuerst dachte ich, es sei nur ein Traum, eine weitere verdrehte Erinnerung in Endlosschleife. Aber als mein Geist sich dem Erwachen näherte, drückte eine Schwere auf mich herab, als wäre ich unter eine durchnässte Decke gepinnt, die ich nicht abwerfen konnte.
Etwas Raues glitt um mein Handgelenk.
Ein Ruck schoss meinen Arm hinauf und zog mich näher an das Bewusstsein. Mein Atem stockte. Ich versuchte mich zu bewegen, aber mein Körper fühlte sich langsam an, meine Glieder schwer und ungeschickt.
Dann zog sich die zweite Fessel fest um mein anderes Handgelenk.
Panik begann am Rand des Nebels in meinem Gehirn aufzublitzen. Mein Bewusstsein schärfte sich in Blitzen – kalte Luft auf meiner Haut, die bedrückende Dunkelheit des Zimmers, die schreckliche Gewissheit, dass ich nicht allein war.
Mein Gesicht fühlte sich seltsam an. Steif. Als würde etwas an meiner Haut ziehen.
Die Laken glitten tiefer, streiften über meine Brüste, hinunter zu meinem Bauch und sammelten sich um meine Hüften. Ein kalter Luftzug strich über meine Brust, ließ meine Brustwarzen zu harten, zitternden Spitzen werden.
Und dann wusste ich – das war kein Traum.
Meine Augen rissen auf.
Eine Gestalt hockte zwischen meinen Beinen. Eine Silhouette, massig und unverkennbar.
Abscheu durchflutete meine Adern. Mein Puls raste so schnell, dass mir schwindelig wurde. Ich zuckte, oder versuchte es – aber meine Arme waren über meinem Kopf verankert, an das Kopfteil gebunden.
Ich sog einen verzweifelten Atemzug ein, um zu schreien.
Nichts kam heraus.
Etwas drückte fest über meinen Mund – dick, erstickend.
Meine Augen weiteten sich, wild und glänzend in der Dunkelheit.
Klebeband.
Da war Klebeband über meinem Mund.
Und wer auch immer in meinem Bett war, war vorbereitet, und ich erkannte es gerade. Ich bin in Schwierigkeiten.
