Der Vorschlag des Piratenkönigs
Prolog
Der Mond hing tief über dem Königreich Vespera und warf einen silbrigen Schein auf die Türme des Schlosses und den geschäftigen Hafen darunter. Einst war Vespera ein Leuchtfeuer des Wohlstands gewesen, seine Schatzkammern gefüllt mit Gold und sein Volk blühte auf. Nun hatten sich die Gezeiten des Glücks gewendet und das Königreich stand am Rande des Ruins.
Im Herzen des Schlosses stand ich, Prinzessin Isabella, am Fenster, meine zarten Finger zeichneten die filigranen Muster des gefrorenen Glases nach. Ich blickte hinaus auf den Horizont, wo das Meer und der Himmel in einer endlosen Dunkelheit verschmolzen. Heute Nacht lastete das Schicksal meines Königreichs schwer auf meinen schmalen Schultern.
„Isabella“, die Stimme meines Vaters durchbrach die Stille.
Ich drehte mich um und sah König Edmund in der Tür stehen, sein Gesicht von Sorgenfalten durchzogen.
„Wir müssen sprechen.“
Ich folgte ihm in den großen Saal, wo meine Mutter, Königin Adrianna, mit sorgenvoller Miene saß. Die königlichen Berater flüsterten untereinander, ihre Gesichter ernst. Eine Karte des Königreichs lag auf dem Tisch ausgebreitet, mit roter Tinte markiert, um die verlorenen Gebiete und erschöpften Ressourcen zu zeigen.
„Vater, was ist los?“
fragte ich, meine Stimme zitterte vor der Erwartung des drohenden Unheils. König Edmund holte tief Luft, seine Augen trafen meine mit einer Mischung aus Trauer und Entschlossenheit.
„Unser Königreich steht am Rande des Zusammenbruchs.“
„Wir haben nur noch eine Option, um unser Volk zu retten.“
Mein Herz raste.
„Was müssen wir tun?“
Der Blick des Königs verhärtete sich.
„Du musst Captain Blackthorn, den Piratenkönig, heiraten.“
Ein kollektives Keuchen hallte durch den Saal. Mir wurde schwindelig. Ich hatte Geschichten über Captain Blackthorn gehört, einen rücksichtslosen Plünderer, der die Meere mit eiserner Faust beherrschte. Schon sein Name flößte den Menschen Angst ein. Ihn heiraten?
„Vater, nein“, flüsterte ich, Tränen stiegen mir in die Augen. „Es muss einen anderen Weg geben.“
Königin Adrianna stand auf, ihre Augen glänzten vor unterdrückten Tränen.
„Wir haben alle anderen Möglichkeiten ausgeschöpft, mein Liebling. Captain Blackthorn hat uns ein großes Vermögen im Austausch für deine Hand im Ehe versprochen. Es ist der einzige Weg, unser Volk vor dem Hungertod und der Verzweiflung zu retten.“
Meine Welt brach um mich herum zusammen. Ich kannte meine Pflicht als Prinzessin, aber der Gedanke, mit einem Monster verheiratet zu sein, erfüllte mich mit Angst. Als ich in die Augen meiner Eltern blickte, sah ich ihre Verzweiflung und ihre Hoffnung, dass dieses Opfer Vespera Erlösung bringen würde.
„Sehr gut“, sagte ich, meine Stimme kaum mehr als ein Flüstern. „Ich werde tun, was getan werden muss.“
Die Tage, die folgten, verschwammen in einem Wirbel von Vorbereitungen. Das Schloss war erfüllt von geschäftigem Treiben, während die Diener mich für meine Reise rüsteten. Ich wurde in feinster Seide gekleidet, mein langes kastanienbraunes Haar mit Perlen geflochten. Ich sah aus wie eine königliche Braut, aber innerlich fühlte ich mich wie ein Lamm, das zur Schlachtbank geführt wird. Am Tag meiner Abreise stand ich am Rand des Schlosshafens, meine Augen auf das Piratenschiff gerichtet, das bedrohlich vor mir auftauchte. Seine schwarzen Segel blähten sich im Wind, die Totenkopfflagge flatterte unheilvoll. Ich stieg an Bord. Mein Herz war schwer vor Angst und Ungewissheit. Ich erblickte einen Mann, der am Steuer des Schiffes stand.
Kapitän Blackthorn war so furchteinflößend, wie es die Legenden behaupteten, seine dunklen Augen kalt und berechnend. Neben ihm stand ein anderer Mann, dessen Ausdruck weicher war, seine Augen erfüllt von stiller Stärke. Er war James, der erste Maat, und obwohl ich es noch nicht wusste, würde er mein Hoffnungsschimmer in den dunkelsten Zeiten werden.
Das Schiff setzte die Segel und trug mich fort von dem Leben, das ich gekannt hatte. Ich warf einen letzten Blick auf die schwindende Küstenlinie. Ich wusste nicht, was die Zukunft bringen würde, aber ich schwor, stark zu bleiben und alle Prüfungen zu überstehen, die auf mich warteten. Denn im Herzen der Dunkelheit blieb ein Funken Licht. Obwohl mein Weg voller Gefahren war, würde ich Liebe und Freiheit an den unerwartetsten Orten finden.
Das Königreich Vespera hatte eine bewegte Geschichte, geprägt von Wohlstand und Niedergang. Der Legende nach siedelten sich nomadische Stämme entlang des fruchtbaren Vespera-Flusses an und vereinten sich unter einem einzigen Herrscher. Im Laufe der Zeit bildete diese Vereinigung das große Königreich, das für seine kulturelle Raffinesse und wirtschaftliche Macht bekannt wurde. Während seiner Blütezeit verbanden Vesperas Handelsrouten das Reich mit fernen Ländern. Das Königreich wurde zu einem geschäftigen Handelszentrum, das Kaufleute und Händler aus aller Welt anzog. Seine Städte blühten auf, geschmückt mit Palästen, Tempeln und lebhaften Marktplätzen. Selbst in Zeiten des Reichtums waren die Samen des Niedergangs bereits gesät. Die herrschende Elite wurde korrupt und dekadent, frönte einem verschwenderischen Lebensstil und vernachlässigte die Wirtschaft des Königreichs. Nachbarreiche begannen, Vesperas Handelsdominanz zu hinterfragen und untergruben seinen Einfluss.
Handelsrouten verschoben sich, und ausländische Konkurrenten gewannen an Boden, während Vespera darum kämpfte, seine Stellung zu halten. Innere Konflikte und wirtschaftliches Missmanagement verschärften die Probleme des Königreichs. Aufeinanderfolgende Herrscher versuchten Reformen, aber Korruption und fest verwurzelte Interessen verhinderten echten Fortschritt. Heute steht Vespera an einem Scheideweg und kämpft darum, seinen früheren Wohlstand in einer sich schnell verändernden Welt zurückzugewinnen. In den großen Hallen des königlichen Palastes saßen König Edmund und Königin Adrianna an einem großen, reich verzierten Tisch und studierten Karten und Kontenbücher. Die Last des finanziellen Ruins des Königreichs lag schwer in der Luft.
„Adrianna, wir können so nicht weitermachen“, sagte Edmund, seine Stimme angespannt vor Sorge. „Unsere Schatzkammern sind leer, unser Volk leidet, und das Königreich steht am Rande des Zusammenbruchs.“
Königin Adrianna nickte, ihre Stirn war gerunzelt.
„Wir müssen eine Lösung finden. Irgendeinen Weg, um Vesperas Wohlstand wiederherzustellen.“
Plötzlich öffneten sich die großen Türen mit einem lauten Knall. Eine in Schwarz gehüllte Gestalt schritt mit der Selbstsicherheit eines Sturms herein. Seine Stimme dröhnte durch den Saal.
„König Edmund! Königin Adrianna! Ich bin Captain Blackthorn, der Piratenkönig, und ich habe ein Angebot, das euch interessieren könnte.“
Der König und die Königin tauschten misstrauische Blicke aus, als sie den berüchtigten Piraten vor sich betrachteten, dessen Gestalt vom flackernden Fackellicht umrahmt war.
„Welches Angebot bringt Ihr, Captain?“ fragte König Edmund, seine Stimme ruhig, obwohl seine Augen sich verengten.
Blackthorn grinste, seine Augen funkelten.
„Ich schlage eine Heiratsallianz vor. Schatz für die Hand eurer Tochter, Prinzessin Isabella.“
Königin Adrianna schnappte nach Luft, ihre Hand flog an ihre Brust. Edmunds Kiefer spannte sich an.
„Ihr wagt es, so etwas vorzuschlagen?“ sagte er, seine Stimme kalt. „Meine Tochter ist keine Ware, die man handeln kann.“
Blackthorns Grinsen wurde breiter, unbeeindruckt.
„Denkt daran als eine Vereinigung der Macht. Mit meinen Ressourcen und der strategischen Position eures Königreichs könnten wir eine Allianz schmieden, die uns unaufhaltsam machen würde.“
Stille senkte sich herab.
„Wir werden euer Angebot in Betracht ziehen“, sagte Edmund schließlich, seine Stimme entschlossen. „Die Hand von Prinzessin Isabella gehört euch nicht so leicht. Wir werden zu gegebener Zeit entscheiden.“
Blackthorn verneigte sich leicht und schritt hinaus, die Spannung in seinem Gefolge zurücklassend. Als sie allein waren, saßen König Edmund und Königin Adrianna schweigend da, das Angebot des Piraten schwer zwischen ihnen.
„Was hältst du davon, Edmund?“ fragte Adrianna leise, ihre Stimme unsicher. Edmund lehnte sich vor, verschränkte seine Hände.
„Wir sind in einer verzweifelten Lage. Das Königreich steht kurz vor dem Zusammenbruch, und die Bedrohungen durch unsere Feinde werden stärker. Wir haben vielleicht keine Wahl.“
Adriannas Ausdruck war ernst.
„Unsere Tochter mit einem Piratenkönig zu verheiraten. Es fühlt sich an wie ein Verrat an allem, wofür wir stehen.“
Edmund nahm ihre Hand.
„Ich verstehe deine Gefühle, aber wir dürfen nicht zulassen, dass Stolz unser Königreich zerstört. Wir müssen an unser Volk denken.“
Die Königin nickte, obwohl ihr Herz schwer war.
„Wenn dies getan werden muss, dann werden wir Captain Blackthorns Vorschlag akzeptieren.“
Die Morgensonne warf einen warmen Schein über den Burghof, als Captain Blackthorn zum Thronsaal eskortiert wurde. Seine Schritte hallten durch die Gänge, als er eintrat, Erwartung glänzte in seinen Augen.
„Wir haben unsere Entscheidung getroffen“, verkündete König Edmund, als Blackthorn vor ihnen stand.
Königin Adrianna trat vor.
„Zum Wohle der Zukunft unseres Königreichs akzeptieren wir Ihren Vorschlag.“
Ein Lächeln schlich sich auf Blackthorns Gesicht.
„Ihr werdet es nicht bereuen.“
Edmunds Augen verengten sich.
„Was sind die Bedingungen? Wann schlagen Sie die Hochzeit vor?“
„In zwei Tagen, am Abend des Vollmonds,“ antwortete Blackthorn selbstbewusst.
Unbehagen breitete sich unter den Monarchen aus angesichts der Eile des Piraten, aber es gab kein Zurück mehr. Mit schwerem Herzen nickte Edmund. Blackthorn verabschiedete sich, und ein Gefühl der Vorahnung blieb im Raum zurück. Just in diesem Moment knarrte die Tür. Ich trat ein, mein dunkles Haar fiel über meine Schultern, meine Augen scharf und voller Entschlossenheit.
„Vater, was bedrückt dich?“
fragte ich mit zitternder Stimme. Edmund seufzte tief.
„Unser Königreich zerfällt, Isabella. Wir haben nur noch eine Option.“
Mein Herz pochte.
„Was müssen wir tun?“
Edmunds Blick verhärtete sich.
„Du musst Captain Blackthorn heiraten.“
Ein Keuchen entfuhr meinen Lippen. Der Raum drehte sich. Ich hatte von Blackthorn gehört, gnadenlos, gefürchtet. Ihn zu heiraten war undenkbar.
„Vater, nein,“ flüsterte ich, Tränen stiegen in meine Augen. „Es muss einen anderen Weg geben.“
Meine Mutter trat vor, Tränen standen in ihren Augen.
„Wir haben keine Wahl, mein Liebling. Er bietet ein großes Vermögen für deine Hand. Es ist der einzige Weg, unser Volk zu retten.“
Meine Welt brach zusammen. Ich hatte immer meine Pflicht als Prinzessin gekannt, aber der Gedanke an diese Ehe erfüllte mich mit Schrecken.
„Sehr gut,“ sagte ich leise. „Ich werde tun, was nötig ist. Wann ist die Hochzeit?“
„In zwei Tagen,“ antwortete mein Vater.
Eine Welle der Übelkeit überkam mich. Ich machte einen Knicks und eilte aus dem Thronsaal, mein Herz brach bei jedem Schritt. Als ich meine Gemächer erreichte, schloss ich die Tür und ließ die Tränen fließen. Wie konnten meine Eltern das tun? Ich war eine Spielfigur in einem Spiel, das ich nicht spielen wollte. Am nächsten Morgen kam die königliche Schneiderin mit meinem Hochzeitskleid. Die Luft war schwer von Melancholie, denn das Kleid symbolisierte nicht nur meine Verbindung mit Blackthorn, sondern auch die Opfer, die für das Königreich gebracht wurden. Als die Schneiderin das Kleid enthüllte, hallten Keuchen durch den Raum. Es war figurbetont, enthüllend und ganz anders, als ich es mir vorgestellt hatte. Mein Herz sank.
„Ist das wirklich mein Hochzeitskleid?“
fragte ich mit unsicherer Stimme. Die Schneiderin nickte entschuldigend.
„Es war Captain Blackthorns Entwurf.“
Meine Finger ballten sich zu Fäusten, aber ich sagte nichts. Ich hatte keine Wahl. Eine Weigerung würde das Bündnis gefährden, und die Zukunft meines Königreichs stand auf dem Spiel. Die Schneiderin passte das Kleid an. Unbehagen breitete sich in mir aus. Der Stoff fühlte sich wie eine Fessel an, die mich an eine Zukunft band, die ich nie gewollt hatte.














































































