Kapitel 2 - Kumpel!
Amaias Perspektive
„Liebe Anwesende“, die vertraute Stimme von Beta Harrison, dem Beta meines Vaters, brach vor Emotionen. Die Geräusche erschreckten mich, und mein verwirrter Blick richtete sich schlagartig in seine Richtung. „Wir sind heute hier versammelt, um Abschied von unserem geliebten Alpha, Freund und Ehemann zu nehmen!“
Was zur Hölle!
Bin ich tot?
Ist das, was ich sehe, real?
Instinktiv bewegten sich meine Hände über meinen Körper, suchten verzweifelt nach einem Beweis dafür, dass ich träumte.
Ich kniff mich und schrie schmerzerfüllt auf.
„Heilige Scheiße!“ rief ich schockiert aus. „Das kann nicht wahr sein!“
Neugierige, rotäugige Blicke richteten sich auf mich, während die Ältesten, die neben dem Grab standen, missbilligend die Stirn runzelten.
„Entschuldigung“, murmelte ich und machte mich schnell auf den Weg nach hinten.
Ich konnte es einfach nicht glauben!
Ich konnte nicht fassen, dass ich lebte! Wie zur Hölle war das möglich?
Ich betrachtete die Kratzer an meinen Handgelenken und die Spuren, die mein Sturz auf meiner Haut hinterlassen hatte. Doch die Haut war so glatt wie eh und je, und es gab keine Anzeichen dafür, dass Darna jemals ihre Nägel in meine Haut gegraben hatte. Weder gab es gebrochene Knochen noch einen einzigen Tropfen Blut.
„War ich wiedergeboren?“ flüsterte ich zu mir selbst.
Der Gedanke klang so absurd.
Mein Blick wanderte langsam zum Begräbnis. Ein riesiger Rahmen zeigte das Bild meines Vaters – es musste seine Beerdigung sein.
Ich kniff die Augen zusammen, als ich mich daran erinnerte, dass an jenem Tag einige Rudelmitglieder gestorben waren.
Es müsste bald ein heftiger Sturm am Horizont aufziehen, der die Beerdigung unterbrechen würde.
Mein Blick wanderte zum Himmel, und tatsächlich braute sich ein Sturm zusammen. Der strahlend blaue Himmel verwandelte sich in Dunkelheit und spiegelte die Ereignisse meines früheren Lebens wider.
Die Szene war so surreal!
War das das Werk der Göttin? Gab sie mir eine Chance, mich zu rehabilitieren?
Szenen und Bilder meiner letzten Momente blitzten vor meinen Augen auf und ließen mich erstarren.
Als ich vom Dach fiel, sah ich eine Gestalt das Rudelhaus verlassen – ein Ältester und ein Mann.
Der Mann, gekleidet in einen dunklen, teuren Anzug, schien aufgebracht. Sein Kiefer war fest zusammengepresst, als er mit dem Ältesten sprach, ihre gedämpften Stimmen kaum hörbar. Er und der Älteste schienen in einem hitzigen Streit zu sein. Sein Gesicht zeigte einen gemeißelten Ausdruck von Verärgerung und Wut.
„Du kannst mich nicht von ihr fernhalten!“ knurrte er.
Die Stirn des Ältesten legte sich tief in Falten, als er antwortete, seine Stimme war leise, aber fest. „Es geht nicht darum, dich von ihr fernzuhalten...“
Ich konnte seine Aura spüren, stark und mächtig. Die Spannung in der Luft knisterte wie statische Elektrizität, und ich wurde von der Schwere ihres Austauschs angezogen. Ich wusste, dass jede Entscheidung des Ältesten Wellen durch unser Leben schlagen würde, die Schicksale formen würden, die wir noch nicht begreifen konnten.
„Was geschehen ist, ist geschehen, Alpha Lennox“, fuhr der Älteste fort und neigte seinen Kopf vor der höheren Macht. „Ich kann nicht ändern—“
Wie gerufen, wanderte Alpha Lennox' Blick plötzlich in meine Richtung. Seine Augen weiteten sich vor Entsetzen.
Hast du meinen Schrei gehört?
Habe ich geschrien?
Mein Körper prallte auf die Betonfläche, und das Geräusch meines Kopfes, der auf den Boden aufschlug, klang wie ein Pistolenschuss. Der schreckliche Klang hallte gegen die Wände des Rudelhauses.
Die Welt drehte sich um mich, ein chaotisches Wirrwarr aus Gesichtern und Schatten, während der Schmerz durch meinen Schädel strahlte.
Alpha Lennox' Ausdruck wechselte von Entsetzen zu Dringlichkeit, und ich sah, wie er sich auf mich zubewegte, aber alles fühlte sich fern an, als wäre ich in einem Traum gefangen, aus dem ich nicht aufwachen konnte.
Ich kämpfte darum, mich zu konzentrieren, während mein Blick immer wieder verschwamm und mein Körper gegen die Welle der Dunkelheit ankämpfte, die mich zu verschlingen drohte. Gerade als ich dachte, ich könnte nachgeben, packte eine starke Hand meine Schulter, verankerte mich in der Realität und zog mich zurück vom Abgrund.
„Scheiße!“ Seine tiefe, raue Stimme schickte ein warmes, prickelndes Gefühl in mein Herz. Es war reines Glück für meinen Körper und ließ etwas in mir aufwachen. Seine warmen und starken Hände hinterließen kleine elektrische Funken unter seiner sanften und zarten Berührung.
„Gefährte!“ schrie mein inneres Wesen.
„Gefährte“, wiederholte ich lautlos.
„Bleib bei mir!“ rief Alpha Lennox. „Bitte verlass mich nicht! Ich brauche dich!“
Seine Worte trafen mich wie ein Stich ins Herz und ließen mich gegen die Dunkelheit ankämpfen. Ich konzentrierte mich auf seine Stimme und fühlte die Wärme seiner Anwesenheit wie eine tröstende Decke um mich legen. Mit aller verbliebenen Kraft kämpfte ich gegen die Schatten an, die mich überwältigen wollten, entschlossen, auf seinen Ruf zu reagieren. Ich zwang meine Lider, sich für einen Moment zu öffnen.
Warme, tiefe, besorgte blaue Augen starrten auf mich herab.
„Holt Hilfe!“ schrie er. „Findet einen Arzt! Beeilt euch! Ich kann sie nicht noch einmal verlieren!“
Die Dringlichkeit in seiner Stimme durchdrang den Nebel meiner Erschöpfung und entfachte einen Funken Entschlossenheit in mir. Ich kämpfte mit aller Kraft gegen die herannahende Dunkelheit, verzweifelt, ihm zu versichern, dass ich noch hier war, noch kämpfte. Ich wollte, dass er mich so in Erinnerung behält – lebendig und voller Hoffnung, nicht als einen Schatten, der ins Nichts verschwand.
Mein Blick nahm langsam ein mentales Bild seiner perfekten und starken Züge auf. Er war der schönste Wolf, den ich je gesehen hatte, und erschien wie ein Engel im dämmrigen Licht des Rudelhauses. Seine Anwesenheit strahlte eine Wärme aus, die die Dunkelheit um mich herum für einen Moment zu vertreiben schien. Ich sehnte mich danach, ihn zu berühren, diese Verbindung zwischen uns zu festigen, bevor der unvermeidliche Sturm alles hinwegfegte.
Sein glattes, schwarzes, schulterlanges lockiges Haar war nach hinten gekämmt und sein Bart war getrimmt und gut gepflegt. Er war riesig und wie ein griechischer Gott geformt.
Ich konnte nicht anders, als innerlich zu seufzen, als ich sah, wie seine breiten Schultern sich unter seinem maßgeschneiderten Anzug spannten.
Sein süßer Duft nach dunkler Schokolade und Orange erfüllte meine Nase und linderte den Schmerz in meinem Körper, ließ mich geliebt und in Frieden fühlen. Während ich dort lag, für einen Moment von seiner Anwesenheit gefangen, fühlte ich eine Wärme in mir aufsteigen, als ob seine Aura mein Herz umhüllt hätte. Die Welt draußen verblasste zur Bedeutungslosigkeit und in diesem flüchtigen Moment schienen all meine Sorgen sich aufzulösen, nur das Versprechen von etwas Außergewöhnlichem blieb.
Ein kleines Lächeln kitzelte an den Rändern meiner Lippen, als ich versuchte, meine schweren Finger zu bewegen. Ich wollte ihn berühren.
Er bemerkte meinen Versuch, nahm instinktiv meine Hand und drückte sie an seine Wange, während mein Geist langsam in die Dunkelheit glitt.
Starke Arme hoben mich vom Boden, und ich wusste, dass er es war. Sein wunderschöner Duft umgab mich, während sein Herzschlag den letzten Schmerz in mir beruhigte.
Er murmelte leise etwas in mein Ohr – etwas, das ich nicht verstand – etwas Fremdes – vielleicht ein Wiegenlied – bevor die Dunkelheit mich verschlang.
Die Rückblenden verlangsamten sich und endeten, und ich wischte schnell die Tränen aus meinen Augen. Mein Herz fühlte sich schwer und wund an.
Mein Blick richtete sich widerwillig auf den Ort, wo Darna stand, Lillians Arme beschützend um ihre Schultern. Ihre Augen waren vom Weinen gerötet.
Diesmal wusste ich, dass diese Tränen nichts bedeuteten.
Ich ballte meine Hände zu Fäusten; diesmal würden sie mir nicht nehmen, was mir gehört.
Rache würde bittersüß sein...
























































































