Kapitel 2

König Axe erklomm den Gipfel des Berges, jeder Schritt ein Kampf gegen den Willen der Götter selbst. Der Wind heulte wie tausend hungrige Wölfe, zerrte an seinem Umhang und biss bis auf seine Knochen durch. Schnee, knöcheltief und tückisch, klammerte sich an seine Stiefel, als wollte der Berg ihn in sein eisiges Herz hinabziehen. Aber er würde nicht nachgeben.

Er musste die Seherin erreichen. Ohne ihre Führung würde das Biest in ihm ihn verzehren. Tag für Tag, Jahr für Jahr kämpfte er darum, den Wahnsinn in Schach zu halten. Es war der Fluch seiner Blutlinie, weitergegeben seit längerem, als selbst die Feen sich erinnern konnten. Wenn die Verbindung zu seiner anderen Hälfte nicht rechtzeitig geschmiedet wurde, würde das Biest ihn vollständig beanspruchen, ihm die Vernunft entreißen, bis nur noch Hunger und Gewalt übrig blieben.

Die Stimmen waren einst leise Flüstern gewesen, leicht zu ignorieren in der Hitze des Gefechts oder der Ruhe der Nacht. Jetzt brüllten sie wie eine endlose Flut in seinem Schädel, verlangten Blut, versprachen Erlösung durch Gemetzel. Er zog seine Kapuze fester, drückte gegen den Schneesturm, bis der dunkle Mund der Höhle vor ihm auftauchte wie das Maul eines schlafenden Titanen.

Drinnen verschlang ihn die Dunkelheit vollständig. Seine Stiefel knirschten leise auf uraltem Stein, während er dem gewundenen Pfad folgte. Schließlich stand er vor einer ramponierten Holztür, die bündig ins Herz des Berges eingelassen war. Er hob die Hand zum Klopfen.

Die Tür schwang auf, bevor seine Finger sie berührten.

„Tritt ein, König der Feen“, krächzte eine Stimme, tief und zeitlos, mit dem Gewicht der Jahrhunderte dahinter.

Axe trat in eine weite Kammer, die Luft schwer von Weihrauch und alter Magie. Ein großes Feuer brannte in der Mitte, Zungen aus Orange und Grün wanden sich wie lebende Schlangen. Schatten tanzten an den Wänden, verdrehten sich zu seltsamen Formen, die ihn zu beobachten schienen. Aus der Dunkelheit jenseits des Feuers trat eine Gestalt hervor.

Die Seherin hatte diesmal die Gestalt einer Frau angenommen, ihre Roben schwarz wie eine sternenlose Nacht. Ihre Augen waren Abgründe, bodenlos und zerklüftet, und als sie seine trafen, schien die Temperatur im Raum zu sinken.

„Ich habe auf dich gewartet, König Axe“, sagte sie, ihre Stimme weder laut noch leise, aber irgendwie unvermeidlich.

„Du suchst das, was dir Erleichterung von deinem Leid verschaffen wird.“

„Ja, Seherin“, antwortete er, seine Stimme rau. „Wenn ich sie nicht bald finde, gibt es kein Zurück mehr.“

Sie glitt näher, ihre Bewegungen zu glatt, um einem sterblichen Wesen zu gehören, und deutete ihm, sich zu ihr ans Feuer zu setzen.

„Das, was du suchst, liegt im Reich der Menschen“, sagte sie. „In der Nacht des Vollmonds, sieben Tage von jetzt an, musst du sie an dich binden und das Ritual vollenden. Aber sei gewarnt, König Axt. Es gibt jene, die ihr schaden wollen. Sie ist nicht, wer sie zu sein scheint.“

Das Feuer loderte auf, und in seinen Flammen sah er sie. Eine Frau mit langem, schwarzem Haar, die im Schatten von Gebäuden stand, die er erkannte. Sein Herz zog sich zusammen in einem seltsamen Gemisch aus Sehnsucht und Furcht. Bevor er noch etwas fragen konnte, erloschen die Flammen und tauchten die Kammer in Dunkelheit. Die Seherin war verschwunden.

Er drehte sich um und begann den langen Abstieg. Die Seherin rief nicht zweimal in einem Mond. Ihre Warnung nagte an ihm. Sie ist nicht, wer sie zu sein scheint. Welche Gefahr bedeutete das? Wie konnte er sie beschützen, wenn er nicht wusste, was sie wirklich war?

Als er den Burghof erreichte, zerrte Müdigkeit an jedem Muskel. Sein Erster Offizier und engster Freund, Bailard, trat aus den Schatten unter dem Pavillon. Sie hatten Jahrhunderte lang Seite an Seite gekämpft, Brüder in allem außer dem Blut.

„Axt“, sagte Bailard, seine Augen scharf. „Hast du sie gefunden?“

„Ja, das habe ich. Wir müssen ins Reich der Menschen reisen und sie hierher bringen.“

Bailards Kiefer spannte sich an. „Das Reich der Menschen? Sicherlich irrt sich die Seherin. Deine Gefährtin kann nicht dort sein.“

„Die Seherin irrt nie“, sagte Axt, die Worte waren endgültig. „Ich habe wenig Zeit. Sie muss bis zum Vollmond an mich gebunden sein, oder es gibt keine Rettung für mich.“

Den Rest der Warnung behielt er für sich. Bis er das Rätsel verstand, würde er es nicht riskieren, es laut auszusprechen. Schon jetzt kratzte das Biest an den Rändern seines Verstandes und verlangte nach Freiheit.

Axt ließ Bailard zurück und kehrte in seine Gemächer zurück, wo er ein Bad verlangte. Bald stieg Dampf in die Luft, als die Diener die Wanne füllten. Er sank mit einem Zischen in das heiße Wasser, die Hitze zwang die Kälte aus seinen Knochen.

Ihr Gesicht verfolgte ihn, die Frau aus dem Feuer. Wie würde sie reagieren, wenn er sie holte? Würde sie ihn hassen für das, was er war? Es würde keine Zeit für ein Werben geben, kein sanftes Enthüllen der Wahrheit.

Er verabscheute das Menschenreich. Zweitausend Jahre hatten ihm die Tiefen der sterblichen Grausamkeit gelehrt. Doch die Seherin hatte ihm keine Wahl gelassen.

Er hatte eine Ewigkeit auf sie gewartet, durch Schlachten, Verrat und das langsame Verblassen der Hoffnung. Ihre Schönheit war ihm wenig wichtig. Alles, was zählte, war das Versprechen, dass sie den Sturm in ihm beruhigen könnte.

Er stieg aus dem Wasser und trocknete sich ab. Die Burg war still, aber die Nacht fühlte sich schwer an, als ob der Mond selbst zusähe.

Sieben Tage. Das war die gesamte Zeit, die er hatte.

Und die Uhr hatte bereits zu ticken begonnen.

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