Kapitel 1: Lost In The Pines

Das Erste, was Lana registrierte, war die Kälte – nicht die sanfte Kühle des Morgentaus, sondern ein tiefgehender Frost, der durch ihre Haut zu sickern schien und sich in ihrem Mark festsetzte. Ihre Augen rissen auf und blickten auf ein Dach aus hochgewachsenen Kiefern, deren dunkle Äste sich wie knöcherne Finger gegen einen grauen Himmel verflochten, der keinen Hinweis auf die Tageszeit gab. Der metallische Geschmack von Blut erfüllte ihren Mund.

Sie versuchte, sich aufzusetzen, und bereute es sofort. Schmerz explodierte hinter ihrer linken Schläfe, scharf und beharrlich, und als sie ihre Finger auf die Stelle presste, kamen sie klebrig von etwas Warmem weg. Blut. Frisches Blut.

Was zum Teufel?

Lana stemmte sich auf ihre Ellbogen, kämpfte gegen die Übelkeit, die in Wellen über sie hinwegrollte. Die Welt neigte sich gefährlich, aber sie zwang sich, sich zu konzentrieren. Sie lag auf einem Bett aus Kiefernnadeln und toten Blättern, ihr Rücken drückte gegen die raue Rinde eines riesigen Baumes. Der Wald erstreckte sich endlos in jede Richtung, still außer dem gelegentlichen Flüstern des Windes durch die Äste über ihr.

Ihre Jacke war an der Schulter zerrissen und legte blasse Haut frei, die von etwas Scharfem aufgerissen war. Kiefernnadeln hafteten wie winzige grüne Anschuldigungen am dunklen Stoff. Ihre Jeans waren schmutzig und feucht, und einer ihrer Wanderschuhe fehlte komplett.

Wie bin ich hierher gekommen?

Die letzte klare Erinnerung, die sie hatte, war, wie sie an diesem Morgen in den gelben Schulbus stieg, ihr Rucksack schwer mit Notizbüchern und dem Sandwich, das ihre Mutter gemacht hatte – Truthahn und Schweizer Käse mit zu viel Senf, genau so, wie sie es mochte. Die Exkursion in den Pine Ridge Forest für den Umweltwissenschaftskurs. Herr Halbrook war so begeistert davon gewesen, hatte ständig von praktischen Lernerfahrungen und der Verbindung zur Natur gesprochen. Sie konnte seine Stimme immer noch hören: „Dieser Ausflug wird eure Perspektive auf die natürliche Welt verändern, Schüler. Ihr werdet Dinge sehen, die ihr vorher nie bemerkt habt.“

Aber zwischen jenem Moment und diesem – nichts. Eine Leere so dunkel und leer wie die Räume zwischen den Bäumen, die sie umgaben.

Lana tastete nach ihrem Handy, ihre Bewegungen waren ungeschickt und unkoordiniert. Der Bildschirm war schwarz, reagierte nicht auf ihr verzweifeltes Tippen. Tot. Komplett tot. Sie versuchte sich zu erinnern, wann sie es zuletzt geladen hatte, aber selbst diese einfache Tatsache schien ihr wie Rauch zu entgleiten.

„Hallo?“ rief sie, ihre Stimme brach. Der Klang wurde sofort von der bedrückenden Stille des Waldes verschluckt. „Kann mich jemand hören?“

Nichts.

Sie kämpfte sich auf die Füße, nutzte den Baumstamm als Unterstützung. Ihre Beine fühlten sich schwach und wackelig an, als hätte sie dort stundenlang gelegen. Oder Tage. Der Gedanke jagte ihr einen Panikstoß durch die Brust.

Wo sind alle anderen?

Es waren dreiundzwanzig Schüler im Bus gewesen, dazu Herr Halbrook und Frau Chen, die Biologielehrerin, die sich freiwillig als Begleiterin gemeldet hatte. Sie mussten irgendwo hier sein. Sie mussten.

„Maya!“ rief sie, und dachte an ihre beste Freundin, die neben ihr im Bus gesessen und sich darüber beschwert hatte, dass sie früh aufstehen musste für den Wochenendausflug. „Sarah! Irgendjemand!“

Der Wald verschlang ihre Stimme wie ein Schwamm und gab nichts zurück.

Lana machte einen vorsichtigen Schritt nach vorne, dann noch einen. Ihr Gleichgewicht war jetzt besser, obwohl ihr Kopf bei jedem Herzschlag immer noch pochte. Sie musste die anderen finden. Sie musste den Weg zurück finden zu—wohin? Dem Bus? Dem Campingplatz? Sie konnte sich nicht einmal daran erinnern, ob sie ihr Ziel erreicht hatten, bevor... bevor was auch immer mit ihr geschehen war.

Sie begann zu gehen, wählte eine Richtung zufällig aus, da jede Richtung so bedrohlich aussah wie jede andere. Das Unterholz war dicht, zwang sie dazu, sich durch Brombeersträucher und tief hängende Äste zu kämpfen, die an ihrer Kleidung und ihren Haaren zogen. Dornen kratzten über ihre Arme und fügten den frischen Kratzern, die sie offenbar bereits erworben hatte, neue hinzu.

Nach einer gefühlten Ewigkeit, die wahrscheinlich nur zwanzig Minuten war, stolperte sie in eine kleine Lichtung, wo blasse Sonnenstrahlen es schafften, das Blätterdach zu durchdringen. Und dort, verstreut über den Waldboden wie Brotkrumen in einem Märchen, waren Dinge, die nicht hierhergehörten.

Ein zerrissenes Stück leuchtend roten Stoffes hing von einem niedrigen Ast—die gleiche Farbe wie Mayas Lieblingsjacke. Lanas Herz sprang vor Hoffnung und Angst gleichermaßen. Sie eilte vorwärts und griff nach dem Stoff, untersuchte ihn genau. Es war definitiv von Mayas Jacke, der mit den markanten silbernen Reißverschlussanhängern in Form von winzigen Blitzschlägen.

„Maya!“ rief sie erneut, diesmal lauter. „Maya, wo bist du?“

Aber als sie den Lichtung genauer betrachtete, begann die Hoffnung sich in etwas viel Schlimmeres zu verwandeln. Da lagen andere Dinge verstreut im Dreck: eine Brille mit dicken schwarzen Rahmen, ein Glas gesprungen in einem Spinnennetzmuster. Sie erkannte sie sofort—sie gehörten David Kim, dem stillen Senior, der in der letzten Reihe ihres Umweltwissenschaften-Kurses saß.

Ein paar Meter weiter, teilweise unter einem Laubhaufen verborgen, fand sie ein Handy mit einem gesprungenen Bildschirm. Die Hülle war leuchtend pink mit einem Einhorn-Aufkleber auf der Rückseite. Sarahs Handy. Der Bildschirm flackerte, als sie es aufhob, und zeigte siebzehn verpasste Anrufe von einem Kontakt namens „Mom“ und dutzende ungelesene Textnachrichten, die letzte vor nur drei Stunden: „Wo bist du? Ruf mich JETZT an.“

Drei Stunden. Das bedeutete, dass was auch immer ihnen passiert war, erst vor kurzer Zeit geschehen war. Sehr kurzer Zeit.

Lanas Hände zitterten, als sie versuchte, das Handy zu entsperren, aber der Bildschirm wurde dunkel, bevor sie den Passcode eingeben konnte. Eine weitere Sackgasse.

Sie durchsuchte weiter die Lichtung und fand mehr Hinweise auf ihre Klassenkameraden: ein zerrissenes Stück Notizpapier mit Chemiegleichungen, die in Marcus Webbs unverkennbarer Handschrift gekritzelt waren, ein blaues Haargummi, das Jenny Rodriguez gehörte, und am beunruhigendsten von allem, einen einzelnen Wanderstiefel, der definitiv nicht ihrer war.

Aber keine Menschen. Keine Stimmen, die ihr antworteten. Keine Anzeichen von Leben.

Die Stille wurde bedrückend, fast körperlich spürbar in ihrer Schwere. Selbst in den tiefsten Wäldern sollte es Geräusche geben—Vögel, Insekten, kleine Tiere, die durch das Unterholz rascheln. Aber dieser Wald war so still wie ein Grab, als ob jedes Lebewesen geflohen wäre oder in absolute Stille verängstigt worden wäre.

Als sie in der Mitte der Lichtung stand, umgeben von den verstreuten Überresten der Anwesenheit ihrer Klassenkameraden, wurde Lana sich eines anderen Gefühls bewusst, das ihr den Rücken hinaufkroch: das unverkennbare Gefühl, beobachtet zu werden.

Langsam drehte sie sich um und scannte die Baumgrenze, die die Lichtung umgab. Die Schatten zwischen den Stämmen schienen jetzt tiefer, undurchdringlicher. War das eine Bewegung, die sie aus dem Augenwinkel sah, oder nur das Spiel des Lichts durch die Äste? War diese dunkle Gestalt hinter der riesigen Eiche tatsächlich eine Person oder nur ihre Fantasie, die vor Angst verrückt spielte?

„Ich weiß, dass jemand da ist“, sagte sie und versuchte, ihre Stimme ruhig zu halten. „Wenn das irgendein Scherz ist, ist es nicht mehr lustig. Die Leute werden sich Sorgen machen. Meine Eltern—“

Ihre Stimme verstummte, als die Realität ihrer Situation begann, vollständig einzusinken. Ihre Eltern hatten wahrscheinlich erwartet, dass sie vor Stunden zurückkam. Als sie nicht nach Hause kam, hätten sie die Schule angerufen. Die Schule hätte Mr. Halbrook angerufen. Und wenn niemand einen von ihnen erreichen konnte...

Wie lange würde es dauern, bis jemand sie suchte? Wie lange, bis überhaupt jemand wusste, wo er suchen sollte?

Das Gefühl, beobachtet zu werden, verstärkte sich und ließ ihr trotz der relativen Wärme des Nachmittags Gänsehaut über die Arme laufen. Sie drehte sich um, um denjenigen zu erwischen, der sie beobachtete, aber sah nur Bäume und Schatten und die Fragmente der Besitztümer ihrer Klassenkameraden, verstreut wie Beweise für ein schreckliches Verbrechen.

Aber da war jetzt noch etwas anderes in der Lichtung, etwas, das sie sicher war, vorher nicht dort gewesen zu sein. In die Rinde des größten Kieferns, genau auf Augenhöhe, waren Symbole eingeritzt, die sie nicht erkannte. Keine zufälligen Kratzer, sondern absichtliche Zeichen, tief in das Holz geschnitten mit etwas Scharfem. Sie bildeten ein Muster, fast wie eine primitive Karte oder ein Diagramm.

Lana näherte sich dem Baum vorsichtig, ihr Herz hämmerte gegen ihre Rippen. Die Symbole waren frisch—das konnte sie an der blassen Farbe des freigelegten Holzes und dem Harz erkennen, das aus einigen der Schnitte noch sickerte. Jemand hatte diese Zeichen kürzlich gemacht. Sehr kürzlich.

Als sie eines der Symbole mit ihrem Finger nachzeichnete, knisterte etwas unter ihrem Fuß. Sie blickte nach unten und sah ein weiteres Stück Papier, das zu einem engen Quadrat gefaltet und zwischen zwei freiliegenden Wurzeln eingeklemmt war. Mit zitternden Händen entfaltete sie es.

Die Nachricht war in Blockbuchstaben geschrieben, offenbar mit Kohle: DU BIST NICHT ALLEIN.

Das Papier glitt aus ihren kraftlosen Fingern und flatterte zu Boden. Jemand war definitiv hier im Wald bei ihr. Jemand, der wusste, dass sie hier war. Jemand, der Nachrichten hinterließ.

Aber wollten sie ihr helfen, oder waren sie der Grund, warum sie überhaupt hier war?

Ein Ast knackte irgendwo hinter ihr, scharf wie ein Schuss in der unnatürlichen Stille. Lana drehte sich um, ihr Herz schlug bis zum Hals, aber sie sah nichts außer dem endlosen Labyrinth aus Baumstämmen und Unterholz. Doch sie war sich jetzt sicher, dass sie nicht allein war. Da war etwas—jemand—der sich durch den Wald bewegte, in ihrer Nähe blieb, aber außer Sichtweite.

„Wer bist du?“ rief sie, hasste, wie ihre Stimme zitterte. „Was willst du?“

Die einzige Antwort war ein weiteres Geräusch—Schritte, definitiv Schritte, die sich von ihr durch das Unterholz entfernten. Nicht laufend, sondern mit absichtlicher Langsamkeit gehend, als wollte derjenige, dass sie ihm folgte.

Jeder Instinkt schrie sie an, in die entgegengesetzte Richtung zu gehen, so viel Abstand wie möglich zwischen sich und das, was sie durch diesen Wald verfolgte, zu bringen. Aber die Alternative war, ziellos durch den Wald zu irren, bis es dunkel wurde, und der Gedanke, allein an diesem Ort zu sein, wenn die Nacht hereinbrach, war irgendwie noch beängstigender als ihrem mysteriösen Beobachter zu folgen.

Außerdem könnte derjenige, der dort draußen war, wissen, was mit ihren Klassenkameraden passiert war. Er könnte ihre einzige Chance sein, sie zu finden.

Oder er könnte der Grund sein, warum ihre Klassenkameraden überhaupt verschwunden waren.

Lana sammelte die zerrissenen Stoffstücke und Davids kaputte Brille auf und stopfte sie in ihre Jackentaschen. Beweise, sagte sie sich. Der Beweis, dass die anderen hier gewesen waren. Dann hob sie Sarahs Handy auf, in der Hoffnung, dass es vielleicht lange genug wieder zum Leben erwachen würde, um einen Anruf zu tätigen.

Die Schritte hatten aufgehört, aber sie konnte immer noch Augen auf sich spüren, irgendwo in der umgebenden Dunkelheit. Beobachtend. Wartend.

Tief durchatmend, was nichts zur Beruhigung ihres rasenden Herzens beitrug, wählte Lana die Richtung, in die die Schritte gegangen waren, und begann zu folgen. Jeder Schritt führte sie tiefer in den Wald, weiter weg von jeder Hoffnung, allein den Weg zurück zur Zivilisation zu finden.

Aber als die Schatten länger und die Luft kälter wurden, hallte ein Gedanke mit zunehmender Dringlichkeit in ihrem Kopf: Was auch immer mit ihren Klassenkameraden passiert war, was auch immer sie an diesen Ort gebracht hatte, ohne Erinnerung daran, wie sie hierhergekommen war, es war nicht vorbei.

Es hatte gerade erst begonnen.

Und irgendwo in der Dunkelheit zwischen den Bäumen beobachtete etwas jeden ihrer Schritte, wartete darauf zu sehen, was sie als Nächstes tun würde.

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