Kleiner Löffel
ARIANA
Jemand klopfte ununterbrochen an meine Schlafzimmertür. Zuerst beschloss ich, es zu ignorieren. Dann fiel mir wieder ein, dass ich nicht mehr bei meiner Mutter wohnte. Schlaftrunken stöhnend, strampelte ich die warme Decke von mir. Ich kroch aus dem Bett und fluchte leise, als mein Blick auf die Uhr fiel, die gerade fünf Uhr am frühen Morgen anzeigte. Noch nicht einmal die Sonne hatte begonnen, ihre Farben am Himmel zu zeigen. Und jemand störte mich.
Ich öffnete die Tür nur einen winzigen Spalt, um zu sehen, wer es war. Zu meiner Überraschung stand Marie vor meiner Tür, mit einem nervösen Lächeln im Gesicht, das mich mehrmals blinzeln ließ. „Was machst du um diese Zeit hier, Marie?“, fragte ich und gähnte ihr ins Gesicht. Ich war zwar früh ins Bett gegangen, konnte aber erst weit nach Mitternacht einschlafen.
Sie beugte sich näher, als wollte sie flüstern. „Es ist fünf Uhr morgens. Der Herr hat heute einige wichtige Besprechungen. Aber er ist noch nicht aufgewacht. Ich dachte mir, ob du vielleicht gehen und ihn wecken könntest, bitte.“ Marie flüsterte mir zu, ihre Worte klangen flehentlich.
„Oh! Ja! Okay, ich wecke ihn. Mach dir keine Sorgen.“ Ich antwortete schläfrig und schaute erneut auf die Uhr. Gerade als Marie sich umdrehte, wurde mir etwas klar.
„Entschuldige, aber warum kannst du ihn nicht wecken? Ich verstehe den Grund nicht ganz“, fragte ich Marie ziemlich ruhig. Es schien, als wäre sie für eine gute Minute wie erstarrt. Dann drehte sie sich um und schenkte mir ein verlegenes Lächeln.
„Der Herr kann morgens sehr mürrisch sein. Niemand will ihn wecken, wenn er frühe Besprechungen hat. Aber da du ja seine …“ Ich zog eine Augenbraue hoch, als sie einen Moment innehielt. Sie sah mich seltsam an und ich erkannte einen ziemlich angewiderten Ausdruck in ihren Augen. Ich wusste bereits, was sie dachte. „Ich meine, du kennst ihn besser. Also nehme ich an, dass er dich nicht anschreien wird“, beendete sie ihren Satz, nachdem sie ihre Worte gezügelt hatte.
Am liebsten hätte ich ihr gesagt, sie solle ihre Arbeit gefälligst selbst machen, aber ich wusste auch, dass sie es Enzo erzählen könnte und ich dann Ärger bekommen würde. Das Letzte, was ich wollte, war, ihm irgendwie auf die Nerven zu gehen. Also beschloss ich, es einfach hinzunehmen und mich darum zu kümmern.
Allerdings konnte ich das sarkastische Lächeln nicht verbergen, das sich danach auf meinem Gesicht ausbreitete. „Ja, sicher! Ich kümmere mich darum. Du kannst wieder an deine Arbeit gehen“, antwortete ich ihr träge. Sie drehte sich sofort um und ging weg, als fürchtete sie, ich würde sie aufhalten.
Ich verdrehte die Augen, schloss die Tür und ging wieder hinein. Ich konnte nicht nach draußen gehen, ohne mich frisch zu machen. Schnell erledigte ich meine Morgentoilette und putzte mir die Zähne. Dann band ich meine Haare zu einem hohen, unordentlichen Dutt zusammen und verließ das Zimmer.
Ich klopfte ein paar Mal an seine Schlafzimmertür, ich hämmerte sogar ein- oder zweimal dagegen, nur um nicht hineingehen zu müssen, aber ich musste jemanden da oben am Himmel dafür verfluchen, dass er mich ständig auf diese Weise auf die Probe stellte. Besiegt seufzte ich, wissend, dass ich den schweren Weg gehen musste. Ich öffnete die Tür. Er schloss sie sowieso nie ab. Er wusste, dass niemand je versuchen würde, seine Tür ohne seine Erlaubnis zu öffnen.
Ich betrat das Zimmer, und in dem Moment, als ich ihn ansah, glühten meine Wangen und Ohren vor Verlegenheit. Ich schloss die Augen und wandte den Kopf ab. Er schlief splitternackt in seinem Bett, vollkommen nackt. Etwas drehte sich in meinem Magen um, aber nicht auf eine schlechte Art, wenn das Sinn ergibt. Ich atmete tiefer, um mich zu beruhigen.
„Es ist alles in Ordnung. Alles ist gut. Er ist mein Ehemann. Es gibt keinen Grund, mich so zu fühlen.“ Ich versuchte, mich daran zu erinnern, während ich mir mit beiden Händen Luft zufächelte. Mein Herz hämmerte förmlich gegen meinen Brustkorb.
Als ich es nicht mehr aushielt, sah ich mich in seinem Zimmer nach Wasser um. „Wo ist das Wasser? Er hat immer Wasser in seinem Schlafzimmer.“ murmelte ich vor mich hin, während ich mich umsah. Ich fand eine Flasche auf seinem Nachttisch. Ich ging darauf zu und schenkte mir ein großes Glas Wasser ein, um mich zu beruhigen.
Nachdem ich alles hinuntergestürzt hatte, fühlte ich mich ein wenig besser. Schwer atmend schloss ich für einen Moment die Augen. Genau in diesem Augenblick legte sich eine Hand um mein Handgelenk, und ich wurde plötzlich in seine Umarmung gezogen, seine warme und nackte Umarmung. Er schlang seine Arme um mich und vergrub sein Gesicht in meiner Halsbeuge.
Mein Atem stockte mir in der Kehle. Wir lagen in Löffelchenstellung. Ich war der kleine Löffel in seinen riesigen, muskulösen Armen. Ich war kaum einen Meter sechzig groß und hatte eine schlanke Figur. Er hingegen war fast zwei Meter groß und kräftig gebaut. Ich sah aus wie ein Kätzchen, das von einem großen Bären gekuschelt wird.
„Enzo …“, wimmerte ich, während mein Körper ohne Grund heiß wurde. Oh, eigentlich lag es daran, dass er komplett nackt war.
„Was?“, knurrte er mir ins Ohr und gab mir einen sanften Kuss darauf.
„Du hast versprochen, mich nicht anzufassen, bis ich bereit bin“, erinnerte ich ihn an seine eigenen Worte, die er mir am Abend zuvor gesagt hatte.
Ich wimmerte erneut, als eine Gänsehaut über meinen ganzen Körper lief, weil er eine seiner Hände unter mein Shirt gleiten ließ, was mich erzittern ließ. „Du bist diejenige, die so früh in mein Schlafzimmer gekommen ist. Was soll ich denn erwarten, wenn ich weiß, dass du dein eigenes Zimmer hast und nicht mehr das kleine Mädchen bist, das Angst im Dunkeln hat?“, flüsterte Enzo mir ins Ohr. Seine Stimme und seine Worte waren von Verlangen durchdrungen. Ich konnte nicht glauben, dass er mich in so kurzer Zeit begehren konnte.
„Das liegt daran, dass du bald ein Meeting hast, es ist schon halb sechs Uhr morgens. Und weil du morgens so mürrisch bist, will dich niemand wecken“, versuchte ich, vernünftig mit ihm zu reden, während ich mich aus seinem festen Griff zu winden versuchte.
Genau in diesem Moment spürte ich etwas hinter mir. Mein Körper erstarrte fast augenblicklich, als mir klar wurde, was geschah. Ich hatte mich zu sehr bewegt und das hatte ihn erregt. „Aber ich habe so früh kein Meeting. Hast du das vergessen? Ich stehe nicht gern so früh auf.“ Ich hätte mich ohrfeigen können, weil ich diese grundlegende Information über ihn vergessen hatte. Er nahm niemals so früh an Meetings teil.
„Enzo, bitte lass mich los. Ich habe deine Abneigung gegen den frühen Morgen vergessen. Bitte, ich werde diesen Fehler nicht noch einmal machen“, flehte ich ihn an, wagte es aber nicht, mich zu bewegen. Ich hörte ihn an meinem Hals kichern. Ich spürte, wie er tief einatmete, und etwas zwischen meinen Beinen begann, sich zu erwärmen.
„Bitte …!“, bettelte ich erneut. Und diesmal erntete ich ein Knurren von ihm. Er war wütend. Es gefiel ihm überhaupt nicht, wenn ich von ihm wegwollte. Sein fester Griff um mich lockerte sich.
Bevor ich auch nur daran denken konnte, mich zu bewegen, stieß er mich vom Bett. Ich keuchte auf, als ich auf meinem Hintern landete. „Verpiss dich aus meinem Zimmer“, brüllte er mich in reiner Wut an. Ich brauchte keine zweite Aufforderung. Ich stand auf und hielt mir mit einer Hand den Rücken, der vom Aufprall schmerzte. Ich rannte aus seinem Schlafzimmer, als wäre ich eine Diebin, die beim Stehlen seiner Sachen erwischt wurde. Ich schloss die Tür leise, um ihn nicht noch mehr zu stören. Ich humpelte in mein Schlafzimmer, weil mein Hintern wehtat.
Ein paar Stunden später stand ich in der Küche und holte die nächste Ladung Kekse aus dem Ofen. Ich bereitete sein Frühstück zu, während ich nebenbei Kekse backte. Plötzlich stellten sich mir die Nackenhaare auf, Gänsehaut überzog meinen ganzen Körper und ich erstarrte. Als könnte ich seine Anwesenheit spüren. Ich wusste, dass er hinter mir stand. „Alle raus“, knurrte er die Dienstmädchen an, die in der Küche arbeiteten. Ich schluckte schwer, während ich hörte, wie alle gingen.
Ich versuchte, mich auf meine Arbeit zu konzentrieren, aber nach unserer morgendlichen Begegnung war das fast unmöglich. Er stand direkt hinter mir und überragte mich. Er schaltete den Herd aus und ich spürte seinen warmen Atem an meinem Hals. „Was machst du da?“, fragte er mit verwirrtem Ton. Ich hätte die Augen verdreht, aber ich war zu sehr damit beschäftigt, weiterzuatmen.
„Ich konnte nicht mehr schlafen, nachdem … Ich musste mich mit etwas beschäftigen, da ich ja nicht einmal zur Uni gehen kann“, antwortete ich mit leiser Stimme. Sie klang rau. Ich konnte nicht fassen, dass er all das in mir auslösen konnte.
Er legte seine Hand auf meinen Hintern. Ich schloss die Augen, als er ihn sanft rieb. „Hat es wehgetan?“, fragte er leise. Diesmal drehte ich den Kopf, um ihm meinen genervten Gesichtsausdruck zu zeigen. „Ich habe gesehen, wie du aus meinem Schlafzimmer gehumpelt bist“, erklärte er, und ich schenkte ihm ein sarkastisches Lächeln.
„Nein! Ich habe es genossen, aus deinem Bett zu fallen. Das hat Spaß gemacht. Warum machen wir das nicht noch mal?“ Ich konnte mich nicht zurückhalten. Seine Fragen machten mich wütend. Nachdem er mich aus dem Bett gestoßen hatte, tat er so, als würde er sich sorgen.
„Komm mir nicht mit dieser Tour, Schmetterling. Du weißt, was ich mit dir anstellen kann, wenn ich wütend werde“, knurrte Enzo mir ins Ohr. Ich wimmerte erneut auf, als er seine Hände fest um meine Hüften legte.
„Außerdem war es deine Schuld, in mein Zimmer zu kommen. Du kannst nicht erwarten, dass ich mich in meinem eigenen Schlafzimmer unwohl fühle.“ Sein Tonfall änderte sich plötzlich. Er zog mich jetzt auf. Es war nicht so, als hätte er mich nie zuvor aufgezogen. Aber dieses Mal war es ganz anders. Dieses Mal war es ein verführerisches Necken.
„Es ist nicht meine Schuld. Es ist deine Schuld. Jemand anderes hat mir von deinem Zeitplan erzählt. Es ist deine Schuld, dass du mich nicht darüber informiert hast. Es ist fast schon peinlich, von anderen zu erfahren, wann ich dich wecken soll“, knurrte ich zurück, genervt und frustriert zugleich. Er hatte die Dreistigkeit, mir so etwas zu sagen, nachdem ich versucht hatte, ihm eine gute Ehefrau zu sein.
Plötzlich lachte er. Und dieses Lachen war so dunkel, dass es mich vor Angst erschaudern ließ. „Dir von meinem Zeitplan erzählen, damit du meinem Feind von mir berichten kannst? Ist es das, was du ausheckst?“, flüsterte er mir ins Ohr. Sein Ton war verführerisch verspielt, doch seine Worte waren wie scharfe Messer, die sich in mein Herz bohrten.
Augenblicklich wurde die Süße der Kekse in meinem Mund bitter und meine Laune war im Keller. Der Mann, den ich geheiratet hatte und mit dem ich mich so sehr bemühte, eine Beziehung aufzubauen, dachte so schlecht von mir. „Wie auch immer, was hast du zum Frühstück gemacht?“, fragte Enzo, als er sich von mir löste. Er ging zur Küchentheke und setzte sich auf einen der Stühle.
„Ich habe …“, setzte ich an und musste mich räuspern. Meine Stimme zitterte. Ich hielt den Kopf gesenkt. Sofort stiegen mir Tränen in die Augen.
„Ich habe Eierrollen und Pfannkuchen für dich gemacht. Den Kaffee mache ich dir auch gleich fertig“, antwortete ich, ohne ihn anzusehen. Ich bereitete ein Tablett vor, auf dem ich alles für ihn anrichtete. Als ich fertig war, stellte ich ihm sein Frühstück hin. Ich schaltete alles aus, sogar den Ofen, in dem noch ein Blech mit Keksteig zum Backen stand.
Nachdem ich ihm sein Frühstück serviert hatte, machte ich mich auf den Weg zur Küchentür. „Isst du nichts?“, fragte er, als ob es ihn plötzlich kümmerte.
„Nein! Ich habe keinen Hunger.“ Das war nicht die ganze Wahrheit, aber auch keine Lüge. Ich war die ganze Zeit über ausgehungert gewesen und hatte darauf gewartet, dass er herunterkam, damit wir gemeinsam essen konnten, so wie meine Mutter es mir geraten hatte. Aber sein Kommentar hatte mir buchstäblich den Appetit verdorben. Ohne darauf zu warten, dass er noch etwas sagte, ging ich. Ich wollte allein sein.
