Kapitel 5: Dem Tod geweiht
„In deinen Worten, Ehefrau“, sagte Dario kalt, ein verzerrtes Lächeln zuckte an den Mundwinkeln. Seine Stimme triefte vor Bedrohung.
„N-Nein“, stammelte Elena, ihre Stimme kaum mehr als ein Flüstern, zitternd vor Angst.
„Genau“, zog Dario gedehnt, sein eisiger Blick durchbohrte sie. „Das ist die einzige Antwort, die ich von dir erwarte.“
Dann trat Contessa Valentina vor, ihre Augen blitzten vor Verachtung. „Wessen Kind ist das dann?“ platzte es aus ihr heraus, bevor sie ihren Ausrutscher schnell mit einem gezwungenen Ausdruck der Besorgnis kaschierte. „Ich... ich wollte das nicht sagen.“
Aber es war zu spät.
Diese Worte entfachten etwas Wildes in Dario, etwas Gewalttätiges.
Blitzschnell umklammerte seine Hand Elenas Gesicht, seine Finger gruben sich mit brutaler Kraft in ihre Wangen. Ihr Herz hämmerte in ihrer Brust, als sie in seine lodernden blauen Augen starrte. Da war keine Liebe. Kein Vertrauen. Nur Misstrauen und Wut.
„Wenn ich herausfinde, dass du das Kind eines anderen Mannes trägst...“ zischte er, seine Stimme ein tödliches Flüstern, „werde ich nicht zögern, dich und dieses Bastardkind zu töten.“
Elena hielt den Atem an. Ihre Brust zog sich vor Entsetzen zusammen. Sie wollte schreien, dass er falsch lag, dass das Kind seines war, ihr gemeinsames Kind, aber sie wusste, dass er ihr nicht glauben würde.
Also sagte sie nichts.
Dario ließ sie schließlich los und wandte sich angewidert ab. Er griff nach seinem Anzug und seiner Aktentasche und ging hinaus, ohne ein weiteres Wort oder einen Blick zurück.
Die Tür knallte.
Elena sank auf den Boden, ihre Knie schwach vor Erleichterung, aber nur für einen Moment. Die Angst kehrte zurück, schwerer als je zuvor. Sie wusste nicht, wie lange sie diese Wahrheit noch verbergen konnte.
Sie betete um ein Wunder. Um etwas. Irgendetwas, das Darios Augen für die Wahrheit öffnen würde.
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An diesem Abend, als der Himmel dunkler wurde, bewegte sich Elena leise durch das Herrenhaus und erledigte ihre Aufgaben. Sie hatte keinen Appetit, keine Kraft, aber sie zwang sich weiterzumachen. Die Küche roch nach Knoblauch und Kräutern, als sie alleine das Abendessen zubereitete. Jede Bewegung fühlte sich schwerer an als die vorherige.
Contessa Valentina schlenderte mit ihrer üblichen falschen Besorgnis in die Küche.
„Elena, Liebes“, sagte sie mit einem mitleidigen Lächeln, „wir werden bald aufbrechen. Dario hat darauf bestanden, dass wir heute Abend zur Party gehen. Du weißt, wie wütend er wird, wenn nicht alles genau nach seinem Willen läuft.“
Elena sagte nichts, hielt den Blick auf das Essen gerichtet.
Valentina neigte den Kopf, ihre Stimme wurde schärfer. „Und du wirst nicht glauben, warum wir heute Abend feiern“, fügte sie hinzu, Bitterkeit schlich sich in ihren Ton. „Es ist für Arissa, Darios geliebte Freundin. Sie ist nach drei Jahren endlich zurückgekehrt. Sie jagte Ruhm, Schauspielerei und Modeln. Jetzt ist sie zurück... und er schmeißt eine Party für sie.“
Elena erstarrte.
Arissa.
Der Name drehte sich wie ein Messer in ihrer Brust.
Valentina schenkte ihr ein spöttisches Lächeln, tätschelte sanft ihre Hand, bevor sie ging. „Pass auf dich auf, Schatz.“
Einmal allein, konnte Elena kaum atmen. Ihre Hände zitterten. Sie schaffte es kaum, das Essen anzurichten, bevor sie leise in ihr Zimmer schlüpfte und die Tür hinter sich schloss.
Sie versuchte zu schlafen, aber ihr Handy summte.
Eine Benachrichtigung.
Sie öffnete sie.
Eine Eilmeldung füllte den Bildschirm und da waren sie. Dario und Arissa, in einem leidenschaftlichen Kuss, im Mittelpunkt der Veranstaltung.
Sie sahen so perfekt und glücklich aus.
Elena’s Herz zerbrach erneut in tausend Stücke.
Instinktiv legte sie ihre Hände um ihren Bauch. Sie trug sein Kind unter ihrem Herzen. Und doch war er bereits weitergezogen... oder vielleicht hatte er nie wirklich ihr gehört.
Die letzte Hoffnung, die sie noch hatte, zerbrach in diesem Moment.
Sie würde niemals die Frau sein, die er liebte.
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Plötzlich gingen die Lichter aus.
Die Villa wurde in Dunkelheit getaucht.
Elena schaltete schnell die Taschenlampe ihres Handys ein. Der Flur schien jetzt länger. Kälter.
Sie rief nach den Wachen. Nach den Dienstmädchen. Keine Antwort.
Dann waren da viele Schritte.
Sie wandte sich dem Geräusch zu, und ihr Licht erfasste maskierte Männer, die durch die Seitentüren eintraten, ihre Gesichter verborgen, ihre Hände umklammerten Messer und Pistolen.
Ihr Atem stockte.
Sie schaltete das Licht aus und rannte.
Mit klopfendem Herzen navigierte sie durch die dunklen Flure der Villa, die sie besser kannte als jeder andere. Ihre nackten Füße machten keinen Laut, als sie sich hinter der Küchentheke duckte und versuchte, nicht zu laut zu atmen.
Einer der Eindringlinge trat näher.
„Komm raus, komm raus, wo immer du bist“, sang er, seine Stimme verdreht vor Grausamkeit.
„Wir müssen die Schlampe heute Nacht umbringen, sonst bringt der Boss uns um“, zischte ein anderer.
Boss.
Das Wort hallte in ihren Ohren wie ein Schuss.
Es konnte nur einen Mann geben, auf den sie sich bezogen.
Dario Moretti.
Ihr Ehemann.
Der Vater ihres Kindes.
Er wollte sie tot sehen.
Tränen brannten in ihren Augen, aber sie biss sich auf die Lippe, um still zu bleiben. Nicht jetzt. Sie konnte es sich nicht leisten zu fühlen. Nicht, wenn die Gefahr nur wenige Zentimeter entfernt war. Nicht, wenn ihr Baby auf sie angewiesen war.
Sie quetschte sich in den Küchenschrank und rollte sich zusammen, still und reglos.
Sie wartete.
Minuten vergingen wie Stunden.
Die Männer drangen tiefer ins Haus ein. Ihre Stimmen wurden leiser.
Vorsichtig öffnete Elena die Schranktür und kroch heraus.
Sie hielt nicht an.
Sie rannte.
Den Flur hinunter. Durch den Gang. Zur Haustür hinaus.
Die Nachtluft traf ihr Gesicht. Kalt und scharf.
Sie blickte einmal zurück... und alles ergab einen Sinn.
Dario hatte das geplant.
Er hatte das Personal und die Wachen verschwinden lassen. Er hatte diesen Moment geschaffen, sie verwundbar, allein gelassen. Damit sie sie erledigen konnten.
Und er konnte sauber davonkommen.
Tränen strömten über ihre Wangen, aber sie rannte weiter.
Diesmal würde sie nicht betteln.
Diesmal würde sie überleben.
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Elena verkaufte am nächsten Morgen ihren Ehering, ein kaltes, mit Diamanten besetztes Band im Wert von zehn Millionen Dollar. Genug, um zu verschwinden.
Mit diesem Geld kaufte sie ein One-Way-Ticket nach New York.
Ein neues Leben.
Eine neue Identität.
Eine Zukunft, in der sie nie wieder knien müsste.
Sanft hielt sie ihren Bauch und flüsterte: „Keine Sorge, Baby. Dein Vater will uns vielleicht nicht... aber ich werde dich mit allem beschützen, was ich habe. Ich werde dich lieben bis zu meinem letzten Atemzug.“
Als das Flugzeug mit dem Boarding begann, blickte sie ein letztes Mal zurück.
Auf die Stadt, von der sie einst dachte, sie würde für immer ihr Zuhause sein.
„Leb wohl, Dario Moretti“, flüsterte sie. „Du bist endlich frei, zu leben, wie du möchtest.“
