6. Wunderpillen
|| Lilacs Perspektive ||
Der Presseraum war das reinste Chaos – Reporter eilten umher, Tastaturen klapperten, und der Geruch von Kaffee und Tinte erfüllte die Luft. Ich bewegte mich wie ein Schatten durch den Raum, mein Herz raste. Es gab keine Zeit zu zögern. Meine Mission war klar: ein Dokument platzieren, das Zweifel an Kaels neuen „Wundermitteln“ wecken würde. Wenn ich genug Misstrauen schüren könnte, würde es mir vielleicht Zeit verschaffen, echte Beweise zu sammeln, bevor es zu spät war.
Ich entdeckte einen unordentlichen Tisch in der Nähe der Wand, überall verstreute Papiere. Perfekt. Niemand würde ein weiteres Blatt bemerken. Ich blätterte durch den Stapel, tat so, als würde ich etwas suchen, und schob mein Dokument hinein. Es war subtil – nur ein paar Zeilen, die die Sicherheit der Pillen in Frage stellten. Ein kleiner Funke, aber genug, um ein Feuer zu entfachen.
Als ich zurücktrat, kribbelten meine Finger. Jeder Nerv schrie mich an, zu verschwinden, bevor jemand es bemerkte. Ich zwang mich, ruhig zu gehen, mich in die hektische Energie des Raums einzufügen. Doch mit jedem Schritt schlich sich Zweifel ein. War das der richtige Weg? War ich besser als Kael, wenn ich Täuschung benutzte?
Dann dachte ich an Ezra. Mein Bruder, verbannt und gebrochen wegen Kaels Lügen. Ich hatte ihn einmal im Stich gelassen. Das würde ich nicht noch einmal zulassen. Diesmal würde ich kämpfen.
Ich schlüpfte in das Auditorium, gerade als die Konferenz begann. Der Raum war voll, alle konzentrierten sich auf Kael, als er die Bühne betrat. Er sah aus wie der selbstbewusste Alpha-König – scharfer Anzug, goldene Augen und eine Stimme, die Aufmerksamkeit verlangte. Er stellte die Wunderpille vor und behauptete, sie würde Krieger unaufhaltsam machen. Das Publikum brach in Applaus aus, aber ich ballte die Fäuste und erinnerte mich an die Wahrheit. Diese Pillen hatten ihren Preis – Sucht, Zerstörung und Ezras Ruin.
Ich durchsuchte den Raum und sah Alaric in der Nähe der ersten Reihe. Seine grauen Augen trafen meine, und für einen Moment hatte ich das Gefühl, er könnte direkt durch mich hindurchsehen. Ich schaute weg, meine Wangen brannten.
Als die Präsentation endete, summte der Raum vor Aufregung. Ich blieb auf meinem Platz, plante meinen nächsten Schritt. Dann tauchte Alaric neben mir auf, sein Grinsen so nervig wie immer. „Beeindruckend, nicht wahr?“ sagte er, sein Ton triefend vor Sarkasmus.
Ich zwang mich zu einem Lächeln. „Er versteht es, die Menge zu begeistern.“
Alarics Augen verengten sich. „Und was ist mit dir, Täubchen? Was hast du vor?“
Bevor ich antworten konnte, rief Kael meinen Namen. Er kam auf mich zu, seine goldenen Augen fixierten meine. „Lilac,“ sagte er, seine Stimme warm, aber mit einem scharfen Unterton. „Ich habe nach dir gesucht.“
Ich stand auf, mein Herz hämmerte. „Glückwunsch zur Präsentation,“ sagte ich, meine Stimme ruhig haltend.
Kael lächelte, doch seine Augen waren scharf. „Danke.“ Er warf einen Blick auf Alaric. „Bruder. Dich hätte ich hier nicht erwartet.“
Alaric grinste. „Wollte es mir nicht entgehen lassen.“
Die Spannung zwischen ihnen war greifbar. Ich blickte zwischen ihnen hin und her, unsicher, wie ich die Situation entschärfen sollte.
Kael wandte sich wieder an mich. „Lilac, begleite mich zu einem Treffen mit den Adligen. Dein Einblick wäre wertvoll.“
Ich zögerte. Das war ein Test. Kael prüfte meine Loyalität. Ich konnte nicht ablehnen, ohne Verdacht zu erregen.
„Natürlich“, sagte ich und zwang mich zu einem Lächeln.
Als ich Kael folgte, warf ich einen Blick zurück auf Alaric. Seine grauen Augen trafen meine, und für einen Moment verspürte ich einen Funken Hoffnung. Er beobachtete mich, eine stumme Erinnerung daran, dass ich nicht allein war.
Was auch immer als Nächstes kommen würde, ich würde Kael nicht gewinnen lassen. Nicht dieses Mal.
-------
Der Besprechungsraum war still, ein scharfer Kontrast zu dem lärmenden Auditorium draußen. Die dunklen Holzwände und das flackernde Licht des Kronleuchters verliehen dem Raum eine schwere, ernste Atmosphäre. Der Geruch von teurem Kölnischwasser und Kaffee erfüllte die Luft und verstärkte die Spannung.
Ich stand neben Kael an der Spitze des Tisches und spielte meine Rolle als treue zukünftige Luna. Die Adligen und Alphas um uns herum betrachteten ihn mit Bewunderung und Gier. Die Wunderpille war nicht nur ein Produkt – sie war ein Symbol für Kaels Macht und Vision. Jeder wollte ein Stück davon.
Doch unter meiner ruhigen Fassade raste mein Herz. Das Dokument, das ich im Presseraum platziert hatte, hatte seine Aufgabe erfüllt. Jetzt musste ich abwarten und sehen, ob die Zweifel aufkeimen würden.
Die Besprechung begann reibungslos. Papiere wurden herumgereicht, und die Adligen nickten, während sie die Zahlen überprüften. Stifte klickten, bereit zur Unterschrift. Ich hielt meine Hände gefaltet, meine Nägel gruben sich unter dem Tisch in meine Handflächen.
Dann durchbrach eine Stimme den Raum.
„Das ist unglaubliche Arbeit, aber ich kann es nicht genehmigen.“
Alle Augen richteten sich auf Alpha Asher. Er war einer der stärksten Alphas, bekannt für seine Integrität. Seine Worte hatten Gewicht.
„Was meinst du?“ fragte ein anderer Alpha verwirrt. „Das ist eine großartige Gelegenheit.“
Asher lehnte sich vor, seine blauen Augen scharf. „Die Pille wurde nur an zwei Streunern getestet, und beide sind gestorben. Eine so mächtige Pille hat ihren Preis.“ Er pausierte und fixierte Kael mit seinem Blick. „Und ich habe Spuren von Wolfswurz darin gefunden.“
Der Raum wurde still. Wolfswurz war selbst in kleinen Mengen gefährlich für Werwölfe. Es schwächte sie mit der Zeit, zersetzte ihre Stärke und die Bindung zu ihrem Wolf.
„Es ist unverantwortlich“, fuhr Asher fort. „Ich werde meine Leute diesem Risiko nicht aussetzen.“
Die Stille wurde schwerer. Kameras klickten und fingen jeden angespannten Moment ein. Die Medien, hier zur Promotion, hatten nun einen Skandal.
Gemurmel verwandelte sich in Flüstern, dann in Anschuldigungen.
„Stimmt das?“ verlangte ein Alpha zu wissen.
„Warum hast du das nicht erwähnt, Kael?“ fragte ein anderer Adliger scharf.
Kaels Kiefer verspannte sich, aber er zwang sich zu einem Lächeln. Ich konnte den Riss in seiner ruhigen Fassade sehen.
Ich blickte auf das Dokument in meinen Händen, mein Herz pochte. Dies war mein Moment. Ich ließ meine Finger leicht zittern, als ob ich gerade die Wahrheit erkennen würde. Ich holte zitternd Luft und sah zu Kael auf, meine Augen weit aufgerissen vor gespieltem Schock.
„Kael“, sagte ich leise, meine Stimme zitternd. „Es steht alles hier... da ist Wolfswurz in den Zutaten.“
Der Raum explodierte. Stimmen erhoben sich, Fragen flogen wie Dolche.
„Stimmt das?“
„Wolfswurz? Wie konnte das passieren?“
„Du hast gesagt, es sei sicher, Kael!“
Chaos erfüllte den Raum, und ich blieb still, beobachtete, wie Kaels sorgfältig aufgebaute Fassade begann zu bröckeln.
