Kapitel 2 Von Feinden zu Verlobten

„Bei der Verlobungszeremonie einen Rückzieher machen? Und dann will sie ihren Erzfeind heiraten? Kate muss den Verstand verloren haben!“

„Sie spielt in einer ganz anderen Liga! Warum legt sie sich ausgerechnet mit Mr. Levington an? Sie muss lebensmüde sein. Außerdem, wie könnte Mr. Levington sich überhaupt für sie interessieren?“

Ethan, das derzeitige Oberhaupt der Familie Levington, der unangefochtene König der Geschäftswelt von Amberhaven. Edel und kalt, rücksichtslos in seinen Methoden – er war der Mann, nach dem sich alle Frauen sehnten und den sie zugleich fürchteten.

Im Laufe der Jahre hatten unzählige Frauen versucht, ihm nahezukommen, nur um am Ende völlig ruiniert zu werden. Jeder wusste, dass Ethan kein Interesse an Frauen hatte.

Und Kate war seine berüchtigte Feindin. Wie konnte sie es wagen?

Alle warteten auf das Drama, darauf, dass Kate von Ethan gnadenlos zurückgestoßen und gedemütigt würde. Selbst Kates eigene Familie rechnete damit.

Doch in der erstickenden Stille ergriff Ethan plötzlich das Wort.

Seine Stimme war tief, mit einem Hauch von prüfender Kälte. „Bist du sicher?“

Moment, das war nicht die richtige Reaktion! Das klang nicht so, als würde er Kate öffentlich demütigen wollen; es klang eher, als würde er es ernsthaft in Erwägung ziehen.

„Ich bin sicher.“ Kates Stimme war vom Weinen noch immer rau, aber absolut entschlossen.

Ethan blickte auf Kate in seinen Armen hinab, die sich plötzlich so untypisch verhielt. Er konnte ihren Gesichtsausdruck nicht klar erkennen, aber er spürte, wie ihr Körper leicht zitterte. Er dachte, sie hätte Angst, und wollte sie instinktiv wegstoßen. Doch als seine Hand ihre Schulter berührte, spürte er Feuchtigkeit unter dem Stoff. Sie weinte?

Ethan runzelte die Stirn, sein Herz zog sich unerklärlicherweise zusammen.

Hatte er sie erschreckt? Ohne nachzudenken, hob er die Hand, um ihr die Haare aus dem Gesicht zu streichen, doch seine Fingerspitzen berührten eine Spur brennend heißer Tränen. Als Kate die Wärme seiner Fingerspitzen spürte, weinte sie nur noch heftiger.

„Weine nicht.“ Ethans Stimme klang sanfter, als er beabsichtigt hatte, durchzogen von einer Hilflosigkeit und einem Anflug von Panik, die er selbst nicht wiedererkannte. „Es ist nur eine Verlobung. Ich stimme zu.“

Er dachte, sie versuchte, ihn in die Enge zu treiben, damit er Ja sagte. Er wusste nicht, dass Kates Tränen aus der puren Erleichterung entstanden, ihn wieder lebendig zu spüren.

Seine Hand war warm, fest und brannte den Frost weg, der sich seit dem Moment ihres Todes an ihre Seele geklammert hatte.

Kate drückte seine Handfläche an ihre Wange und hielt sich an dieser seltenen Wärme fest, als könnte sie sie in ihre Haut aufsaugen. Ethans Verwirrung wuchs. Normalerweise war sie nicht so anhänglich. So verletzlich.

Was spielte sie da? Hatte Blake sie verletzt? Oder war das eine weitere raffinierte Inszenierung, die er nicht durchschauen konnte?

Er begann, sie aufzurichten, bereit, Antworten zu verlangen, doch sie umklammerte ihn fester, und Panik blitzte in ihren Augen auf.

„Kate! Lass los.“ Ihm stockte der Atem von der Kraft ihres Griffs, und er zog die Brauen zusammen.

„Nein … werde ich nicht!“ Die Worte klangen rau, verzweifelt. Sie hatte furchtbare Angst, dass sie ihn wieder verlieren würde, wenn sie losließ.

In ihrem früheren Leben war dies der Tag, an dem Ethan aus ihrer Welt verschwunden war. Danach hatte es nur noch Gift zwischen ihnen gegeben – ihre verletzenden Worte, seine kalte Distanz –, bis sie zu Erzfeinden wurden. Sie hatte damals nicht gewusst, dass er die ganze Zeit im Stillen Opfer für sie gebracht, seinen Stolz heruntergeschluckt und Zugeständnisse gemacht hatte, die sie nie verdient hatte. Sie war blind für die Tiefe seiner Liebe gewesen.

Nicht dieses Mal.

Sie schmiegte sich an seine Brust wie ein störrisches, in die Enge getriebenes Tier. Ethans Verärgerung wich etwas anderem – einer ungewohnten, entwaffnenden Hilflosigkeit.

„Kate … was genau willst du?“

„Verlobe dich mit mir.“

„Ich habe bereits Ja gesagt. Ich werde die Feier arrangieren – morgen.“

„Nicht morgen.“ Ihre Stimme war heiser, aber ihre Augen brannten vor wilder Entschlossenheit. „Jetzt.“

Sie wusste, dass er heute einen Ring mitgebracht hatte. In ihrem früheren Leben war er gekommen, um sie mitzunehmen. Damals hatte sie ihn zurückgestoßen und ihr eigenes Glück mit ihren eigenen Händen zerstört.

Ihr Blick traf seinen, unerschütterlich. Ethan hatte angenommen, dies sei nur eine Inszenierung, um Blake zu demütigen, ein Versuch, sich Schutz zu verschaffen. Aber was er jetzt in ihren Augen sah … es brachte ihn aus dem Gleichgewicht.

Sein Schweigen zog sich in die Länge, schwer, bis ihm ein leises Lachen entfuhr – halb Nachsicht, halb Kapitulation.

„Na gut. Jetzt.“

Er griff in die Tasche seines Anzugs und zog eine Samtschatulle hervor. Als er sie öffnete, fing sich das Licht in einem Rubin, der in einem tiefen, satten Feuer glühte. Es war der Verlobungsring seiner Mutter – jeder in Amberhaven würde ihn erkennen.

Richards Gesicht wurde blass. Er trat scharf vor. „Ethan, das ist nicht angemessen.“

„Seit wann lebe ich nach den Regeln anderer?“, erwiderte Ethan mit eisiger Stimme. Sein Blick durchbohrte Richard und brachte ihn augenblicklich zum Schweigen.

Ethan nahm Kates Hand und schob ihr den Ring mit bedächtiger Präzision an den Finger. Er passte, als hätte er nur auf sie gewartet.

Er hob ihre verbundenen Hände, damit der ganze Raum sie sehen konnte. „Von nun an“, seine Stimme klang klar und gebieterisch, „ist Kate meine Verlobte.“

Ein Raunen ging durch die Menge. Bevor jemand etwas sagen konnte, beugte Ethan sich hinunter, hob sie in seine Arme und trug sie zum Ausgang. Blakes finsterer Blick folgte ihnen wie ein Messer, doch Ethan würdigte ihn keines Blickes.

Sobald sie im Auto saßen, klammerte Kate sich an ihn, als wäre sie an seiner Seite festgeschweißt. Ethan ließ sie gewähren und sagte nichts, bis der Wagen in eine vertraute, von Toren gesicherte Wohngegend einbog.

„Wir sind bei dir“, sagte er gleichmütig. „Steig aus.“

Sein Ton war wieder kühl, als wäre das Chaos bei der Verlobungsfeier nie geschehen.

Kates Griff verstärkte sich. „Ich gehe nicht nach Hause.“

Ethan warf ihr einen Blick zu. „Wohin dann?“

„Ich bin deine Verlobte. Ich will bei dir sein. Bei dir zu Hause.“ Sie lehnte sich näher, mit großen Augen, ihre Stimme sanft, aber eigensinnig.

Seine Stirn legte sich in tiefere Falten, sein Ton wurde schärfer. „Kate … hast du nicht genug von dieser Vorstellung?“

Vorstellung?

Sie presste die Lippen zusammen und erkannte, dass er ihr nicht glaubte. Sie hob ihre Hand zu einem gespielten Schwur. „Ich spiele nichts. Ich habe jedes Wort ernst gemeint.“

Sein Gesichtsausdruck veränderte sich nicht. Er beobachtete sie nur schweigend, als würde er sie herausfordern, die Scharade aufrechtzuerhalten.

Frustration loderte in ihr auf. Kate bewegte sich plötzlich, schwang ein Bein über seine und setzte sich rittlings auf ihn. Ethans Körper erstarrte.

„Trennwand hoch“, schnauzte er den Fahrer an.

Die Trennscheibe begann hochzufahren. Ethans Blick hätte Glas zerschneiden können. „Der Fahrer war noch hier, Kate. Hast du denn gar keinen Anstand?“

„Nein.“ Sie hob trotzig das Kinn. „Du bist mein Verlobter. Wenn ich auf deinem Schoß sitzen will, dann tue ich das.“

Sein Lachen war kalt. Dann, ohne Vorwarnung, zog er sie fest an sich. Die plötzliche Nähe ließ ihr die Hitze ins Gesicht steigen, und ihre frühere Tapferkeit zerbröckelte, als ihr Blick zur Seite huschte.

Ethans Lächeln wurde nicht wärmer – es wurde schärfer. „Kannst du die Show nicht aufrechterhalten? Blake bietet nächste Woche auf das neue Design der Fluguniformen. Geht es darum? Mich zu verführen, um an die Pläne zu kommen?“

Seine Stimme wurde noch leiser, noch kälter. „Oder fischst du nach Informationen, um sie ihm zuzuspielen?“

Kate blinzelte, überrumpelt von der Anschuldigung. Ihr Schweigen verhärtete nur seinen Verdacht.

„So bereit, deinen eigenen Ruf für ihn zu ruinieren. Kate, du bist eine verdammte Närrin.“

Seine Geduld riss. Er versuchte, sie zurück auf ihren Sitz zu schieben. Doch sie stürzte sich erneut nach vorn – und presste diesmal ihre Lippen auf seine.

Eine Sekunde. Zwei. Drei.

Ethan stieß sie von sich, Schock und Wut kämpften in seinen Augen. „Kate, du …“

„Ich weiß, dass du mir nicht glaubst“, sagte sie atemlos, mit geröteten Wangen und lodernden Augen. „Worte bedeuten nichts. Ich werde es mit Taten beweisen. Glaubst du mir jetzt?“

‚Dir glauben? Nicht die geringste Chance. Hat sie den Verstand verloren? Um Blake zu helfen, küsst sie mich? Hat sie vergessen, dass sie mal gesagt hat, allein meine Berührung würde ihr schlecht machen?‘, dachte Ethan.

Kate erstarrte. Moment … das hatte sie gesagt?

Sie durchsuchte ihre Erinnerung – es war so lange her, dass sie es fast vergessen hatte. Aber Ethan nicht.

Und dann kam ihr ein anderer Gedanke.

Gerade eben … hatte Ethan seinen Mund nicht geöffnet.

Hatte sie diese Stimme in ihrem Kopf gehört?

War das eine Nebenwirkung ihrer Wiedergeburt?

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