PROLOG
Elijah Vaughn
Die Nachtluft war kühl, als ich die Arbeit verließ. Es war elf Uhr, und die Erschöpfung lastete schwer auf meinem Körper. Das Gleichgewicht zwischen Studium und Job zu halten, fühlte sich wie ein ständiger Kampf gegen die Müdigkeit an, aber in diesem Moment wollte ich nur nach Hause kommen, eine heiße Dusche nehmen, etwas essen und endlich schlafen.
Heute hatte ich keine Zeit gehabt, mit meiner Freundin zu sprechen. Eigentlich verhielt sich Sabrina schon seit einer Weile seltsam. Wir waren seit zwei Jahren zusammen, seit wir uns in der Stadtbibliothek kennengelernt hatten – einem stillen Zufluchtsort, wo ich die meiste Zeit mit Lernen verbrachte.
In letzter Zeit jedoch war sie distanziert, gab kurze Antworten und trug einen Ausdruck im Gesicht, den ich nicht deuten konnte. Ich versuchte, es zu ignorieren, in der Hoffnung, dass es nur eine Phase war.
David, mein Bruder, ging mir auch nicht aus dem Kopf. Ich verstand nie, warum er so viel Verachtung für mich empfand. Seit unserer Kindheit tat ich alles, um ein guter Bruder zu sein, aber im Gegenzug bekam ich nur Beleidigungen und Kälte.
Mein Vater pflegte zu sagen, dass Streitereien zwischen Geschwistern normal seien, aber bei David war es nie nur kindliche Rivalität. Es war etwas Tieferes – eine Art von Groll, den ich nie ergründen konnte.
Während ich durch die Straßen von Tenebrae ging, nahm ich die Stadt um mich herum in mich auf. Ihr Name, der "Dunkelheit" bedeutete, zog Touristen an, die auf der Suche nach einem düsteren, verfallenen Ort waren. Aber sie irrten sich. Tenebrae war atemberaubend, voller imposanter Architektur und atemberaubender Ausblicke.
Doch diejenigen, die hier lebten, kannten die Wahrheit: Unter all dieser Schönheit lag ein gesetzloser Ort, an dem täglich Verbrechen ohne Konsequenzen geschahen. Diebstahl, Mord, Gewalt... es war alles Routine.
Deshalb sparte ich Geld. Ich musste hier raus. Ich konnte keine Zukunft in Tenebrae sehen. Das Beste, was ich tun konnte, war, zu gehen.
Ich bog um die Ecke und sah mein Haus – und spürte sofort, dass etwas nicht stimmte. Ein Polizeiauto stand davor, und mein Herz begann zu rasen.
War etwas mit meiner Mutter oder meinem Vater passiert?
David?
Ich beschleunigte meinen Schritt, die Spannung durchflutete meinen Körper.
Sobald ich das Haus betrat, traf mich die Szene wie ein Schlag. Sabrina weinte, in Davids Armen. Meine Eltern saßen in der Nähe, Tränen strömten über ihre Gesichter, während zwei Polizisten mich mit ernsten Ausdrücken beobachteten.
„Was ist hier los?“ Meine Stimme war fest, obwohl die Angst bereits in mir aufstieg.
Bevor ich eine Antwort bekommen konnte, wurde ich gewaltsam zu Boden gestoßen. Mein Gesicht traf den kalten Boden, und schwere Hände drückten auf meinen Rücken, während Handschellen um meine Handgelenke geschnappt wurden.
„Ich habe nichts getan!“ schrie ich und kämpfte. „Was zur Hölle passiert hier?!“
Einer der Polizisten zog mich hoch, seine kalten Augen fixierten sich auf meine.
„Sie sind wegen sexuellen Missbrauchs Ihrer Freundin verhaftet.“
Mein Verstand fror ein.
Mein Herz setzte für einen Moment aus, dann hämmerte es wie ein Kriegstrommel.
„Was?!“ Meine Stimme zitterte vor Schock. „Sabrina!“
Ich suchte ihr Gesicht, verzweifelt darauf hoffend, dass sie es leugnen würde. Sie schluchzte noch heftiger und klammerte sich an David. Meine Beine wurden schwach. Ich kannte sie. In zwei Jahren hatte ich nie auch nur meine Stimme gegen sie erhoben. Wie konnte sie mich so etwas beschuldigen?
„Ich habe es nicht getan! Sag die Wahrheit!“ flehte ich.
Sie schmiegte sich an David, als ob sie Schutz suchte.
Die Augen meines Bruders brannten vor Abscheu.
„Du bist ein Monster, Elijah! Wie konntest du ihr das antun?! Du krankes Schwein!“
Ich wandte mich um und suchte nach meinen Eltern. Sie würden mir glauben. Sie mussten.
„Mama! Papa! Ihr wisst, dass ich das niemals tun würde! Ihr kennt mich!“
Meine Mutter wandte sich ab, schluchzend. Mein Vater machte sich nicht einmal die Mühe, mir in die Augen zu sehen. Und in diesem Moment traf mich die Wahrheit – grausam und seelenzerstörend.
Sie glaubten es.
Für sie war ich ein Monster.
Mein Magen drehte sich um, und eine kalte Leere riss durch meine Brust.
Die Polizisten zerrten mich aus dem Haus. Ich wehrte mich, aber es war zwecklos.
„Lasst mich los! Ihr macht einen Fehler! Ich habe das nicht getan!“ Meine Stimme wurde immer verzweifelter.
Ein harter Schlag traf meinen Magen. Die Luft wich aus meinen Lungen, und mein Körper krümmte sich vor Schmerz. Meine Knie trafen den Boden.
„Halt die Klappe!“ bellte der Polizist.
Sie warfen mich wie Müll in den Wagen. Die Tür schlug mit einem lauten Knall zu. Durch das Fenster sah ich als Letztes, wie meine Mutter weinte, David mit einem zufriedenen Grinsen und Sabrina, die ihr Gesicht in seine Brust vergrub.
Mein Verstand drehte sich, unfähig zu begreifen, was gerade passiert war. Alles war so schnell auseinandergefallen. Aber eines war sicher.
Mein Leben war vorbei.


































































































