Kapitel Acht — Die Auktion

Eira tat, was sie immer tat – sie dachte nach. Tagelang, vielleicht sogar eine ganze Woche, nagte die Frage an ihr: Was war ihr Körper wert? Und was würde es sie kosten, das Einzige loszulassen, was sie technisch gesehen noch besaß?

Ihre Unschuld war nicht mehr heilig. Nicht für sie. Nicht nach dem, was sie gesehen hatte. Nicht nach dem, was sie durchlebt hatte. Sie war nur eine weitere Fessel an ein Leben, das versucht hatte, sie zu erwürgen.

Sie war es leid, gejagt zu werden. Leid, wegzulaufen. Leid, darauf zu warten, dass ihre Freiheit ihr in den Schoß fiel.

So fand sich Eira eines Morgens, noch bevor die Sonne ganz aufgegangen war und das Bordell erwachte, im Büro der Puffmutter wieder. Sie zappelte nicht. Sie zitterte nicht. Sie sprach nur.

„Ich will sie verkaufen“, sagte sie. „Meine Jungfräulichkeit.“

Die Puffmutter blinzelte sie an, dann lehnte sie sich langsam in ihrem Stuhl zurück.

Cass, die ihr dicht gefolgt war, spannte sich neben ihr an. „Eira –“

Doch Eira hob eine Hand.

„Ich weiß, was ich sage. Ich habe keine Angst davor. Ich will nur selbst entscheiden, wie es geschieht. Ich will das Geld. Ich will die Kontrolle.“

Die Puffmutter musterte sie einen langen, stillen Moment.

Dann: „Es wird Käufer geben. Wohlhabende. Aber wenn es einmal geschehen ist, kannst du es nicht mehr rückgängig machen.“

„Ich weiß“, sagte Eira. Ihre Stimme zitterte nicht.

Und damit begann sich ihr Schicksal zu wenden – durch ihre eigene Hand.

Die Tage bis zur Auktion verschwammen in einem Dunst der Vorbereitung.

Cass war diejenige, die sie unter ihre Fittiche nahm. Sie bürstete Eiras Haar, bis es wie gesponnenes Gold glänzte, badete sie in Rosenwasser und rieb duftende Öle in ihre Haut, bis sie schimmerte. Sie lehrte sie, mit langsamer, bewusster Anmut zu gehen und dem Blick eines Mannes standzuhalten, ohne zurückzuzucken.

„Du siehst nicht nach unten“, sagte Cass und band ein Seidenband um Eiras Hals. „Du bist keine Beute. Sie dürfen dich begehren. Sie dürfen sogar für dich bieten. Aber du bist niemals diejenige, die verschlungen wird. Du erlaubst den Biss.“

Eira übte zu lächeln. Haltung zu bewahren. Mit Fassung zu sprechen.

Doch nachts kauerte sie sich immer noch unter ihre Decke und starrte an die Decke, während ihr Herz bis zum Hals schlug.

Sie hatte keine Angst vor dem Schmerz. Sie hatte Angst davor, was das bedeutete – was es aus ihr machen würde. Zu wem es sie machen würde.

Und trotzdem wankte sie nie.

Als die Nacht kam, war sie bereit.

Der Salon im Obergeschoss war wie verwandelt. Seide verhüllte die Wände. Kerzen tauchten den Raum in goldenes Licht. Die Puffmutter saß in ihrer Ecke, flankiert von zwei Wachen. Die Einladungen waren diskret verschickt worden, und die Männer, die erschienen, waren in Schatten und schwere Geldbeutel gehüllt.

Eira stand hinter dem Vorhang, ihre Hände zitterten nur leicht. Cass stand bei ihr und flüsterte ihr leise ins Ohr.

„Wenn das Bieten beginnt, sieh nicht weg. Such dir jemanden aus, wenn du es ertragen kannst. Jemanden, der dich nicht in Stücke reißen wird. Ich werde warten.“

Dann hob sich der Vorhang.

Eira trat hinaus.

Die Luft im Raum veränderte sich. Alles verstummte.

Sie war barfuß, in ein durchsichtiges weißes Gewand gehüllt, das um ihre Knöchel wisperte. Eine einzelne Perle hing an ihrem Hals. Ihr Haar fiel in weichen Wellen über ihren Rücken. Sie hielt die Schultern gerade, das Kinn hoch.

Die Versteigerung begann.

Stimmen, tief und rauchgeschwängert, erhoben sich eine nach der anderen.

Fünfhundert.

Achthundert.

Eintausend.

Die Zahlen kletterten, und Eira stand die ganze Zeit über regungslos da – ihr Herz hämmerte, ihr Blickfeld verengte sich.

Bis eine Stimme durchdrang.

Tief. Kalt. Animalisch.

„Zweitausend.“

Der Raum verstummte.

Eiras Augen suchten die Schatten ab – und blieben an ihm hängen.

Und alles in ihr erstarrte.

Die Stimme der Puffmutter durchbrach die Stille. „Verkauft.“

Stühle scharrten. Ein paar Murmler gingen durch den Raum. Aber alles, was Eira tun konnte, war zu starren.

Er trat vor – groß, breitschultrig, in maßgeschneidertes Schwarz gekleidet. Das Licht fiel auf seine Kieferpartie und enthüllte ein grausames, schönes Gesicht mit Augen wie geschliffenes Glas. Er war jung, vielleicht dreißig, aber es lag nichts Weiches oder Nachsichtiges in seinem Blick.

Er lächelte nicht.

Er sah sie an, als gehörte sie ihm bereits.

Dann wandte er sich an die Puffmutter.

„Ich bin in einer Stunde zurück“, sagte er mit glatter, kalter Stimme. „Sorgen Sie dafür, dass sie gewaschen ist. Bereit. Ich will sie unberührt, aber nicht zitternd.“

Die Puffmutter nickte, ihr Ton war kurz angebunden. „Selbstverständlich.“

Ohne Eira eines weiteren Blickes zu würdigen, ging er, und das Echo seiner Stiefel verklang in der samtenen Stille.

Cass trat neben sie und legte ihr eine Hand auf den Rücken.

Aber Eira rührte sich nicht.

Sie stand einfach nur da, ihr Herz pochte.

Denn sie hatte Angst erwartet.

Aber was stattdessen in ihr aufblühte …

War etwas weitaus Gefährlicheres.

Cass führte sie leise aus dem Salon und einen langen Korridor hinunter. Das Haus war nun still, das Kerzenlicht fühlte sich dichter, schwerer an. Eiras Füße bewegten sich automatisch, ihr Geist war immer noch irgendwo zwischen Feuer und Eis gefangen.

Cass öffnete ein kleines, privates Zimmer am Ende des Flurs. Ein frisches Bad war bereits eingelassen, Dampf kräuselte sich wie Rauch über dem Wasser.

Sie schloss die Tür hinter ihnen.

„Du hast dich gut geschlagen“, sagte Cass sanft und strich Eira das Haar von der Schläfe. „Aber ich brauche dich jetzt, hör mir gut zu.“

Eira nickte, obwohl sich ihre Brust anfühlte, als wäre sie mit Draht umwickelt.

Cass nahm ihre Hand und führte sie zum Bettrand, wo sie sich hinsetzen sollte.

„Dieser Mann, der dich gekauft hat … Er ist nicht sanft, Eira.“

Ihr stockte der Atem.

„Er ist hier bekannt. Bleibt für sich. Kommt nicht oft, aber wenn er es tut, wissen die Mädchen, dass sie Abstand halten müssen. Er hat noch nie jemandem etwas getan, aber er kommt nicht wegen Zärtlichkeit. Er will Kontrolle. Gehorsam. Macht.“

Eira schluckte schwer, aber ihre Stimme war fest. „Glaubst du, er wird mir wehtun?“

Cass kauerte sich vor sie. „Nicht, wenn du dich ihm nicht widersetzt. Nicht, wenn du ihm gibst, wofür er gekommen ist.“

Eira blickte weg.

Cass drückte ihre Hand. „Aber das bedeutet nicht, dass du zerbrechen musst. Du atmest es durch. Du überlebst es. Und wenn es vorbei ist, nimmst du dein Geld und verlässt dieses Haus in dem Wissen, dass du es zu deinen Bedingungen getan hast.“

Eira nickte langsam, ihre Brust hob und senkte sich wie die Gezeiten.

Sie würde sich dem stellen.

Sie würde es meistern.

Auch wenn es sie für immer verändern würde.

Vorheriges Kapitel
Nächstes Kapitel