Neuntes Kapitel — Die Intervention

Der Raum roch nach Rosen und Rauch.

Eira stand am Kamin, der Saum ihres Morgenmantels streifte ihre Fußrücken, die Seide zu dünn, um sie vor der Kälte zu schützen, die sich tief in ihre Knochen gefressen hatte. Kerzenlicht leckte in sanftem Flackern an den Wänden und warf lange Schatten über Samt und Holz. Die Stille war nicht friedlich. Sie war erwartungsvoll. Erstickend.

Sie hielt die Hände vor sich verschränkt und versuchte, gegen den Schmerz in ihrer Kehle anzuatmen.

Als die Tür knarrend aufging, zuckte sie nicht zusammen – doch alles in ihr zog sich zurück.

Er betrat den Raum, als gehöre er ihm. Als wäre er schon einmal hier gewesen. Als hätte er das schon einmal getan.

Er sprach nicht.

Kein Nicken, kein Lächeln. Nur das Geräusch teurer Stiefel auf altem Holz und die Schwere seines Blicks, als er vor ihr stehen blieb.

Sie konnte ihn riechen – etwas Scharfes, Gewürztes, unter dem überwältigenden Duft der Erwartung.

Seine Finger strichen über die Schärpe an ihrer Taille. Nicht zärtlich. Nicht grausam. Nur effizient. Als wäre sie eine Verpackung, die geöffnet werden sollte.

Der Morgenmantel fiel mit einem leisen Seufzer auf.

Sie schnappte nach Luft und versuchte instinktiv, ihn zu schließen, doch seine Hand packte ihr Handgelenk.

Er umrundete sie einmal. Er sah sie nicht an – er sah durch sie hindurch. Der Kiefer angespannt. Die Hände bereit. Wie ein Mann, der eine Ware inspiziert.

Dann packte er ihren Arm und stieß sie auf das Bett.

„Warten Sie …“, sagte sie schnell, ihre Stimme zitterte, als sie eine Hand zwischen sie hob. „Sie müssen nicht … lassen Sie uns nur einen Moment reden. Bitte.“

Einen Herzschlag lang dachte sie, er würde innehalten. Dass die Worte etwas Menschliches in ihm berührt hatten.

Doch seine Augen blieben ausdruckslos, unleserlich.

Sie versuchte, sich aufzurichten, aber sein Knie drückte sich zwischen ihre Schenkel, und eine Hand zwang sie an der Schulter nach unten.

Es gab keine Eile. Nur die furchterregende Geduld von jemandem, der alle Macht und keinerlei Empathie besaß.

Er öffnete seinen Gürtel.

Draußen murmelte das Bordell in seiner üblichen Melodie: leises Lachen, Schritte auf abgenutzten Treppen, klirrende Gläser.

Cass saß an der Bar, ihre Haltung zu steif, ein Glas Wein unberührt in ihrer Hand. Ihre Augen schnellten zur Tür, als sie sich öffnete.

Caius trat ein wie ein Schatten, der sich von einem Sturm losgerissen hatte.

Er hielt direkt hinter der Schwelle inne und musterte den Raum geistesabwesend – bis ihn der Duft traf.

Kein Parfüm.

Kein Fleisch.

Etwas Wildes.

Geißblatt. Gänseblümchen. Winter.

Es schlug ihm in die Brust und breitete sich wie Feuer in seinen Gliedern aus.

Sein Wolf drängte nach vorn.

Er drehte sich um, langsam und scharf, seine Nüstern bebten.

„Gefährtin“, hauchte er.

Cass’ Glas klirrte, als sie zu schnell aufstand. „Caius, warte …“

Aber er war bereits in Bewegung.

Er schritt den Flur entlang und folgte dem Duft mit brutaler Gewissheit. Jeder Schritt zog den unsichtbaren Faden, der ihn mit ihr verband, straffer.

Ein Geräusch.

Leise. Gebrochen.

Ein Wimmern.

Er klopfte nicht.

Er zögerte nicht.

Die Tür explodierte unter seinem Stiefel nach innen.

Der Mann auf dem Bett hatte keine Zeit zu reagieren, bevor Caius’ Hand sich um seinen Hals schloss und ihn von Eira riss, als wöge er nichts.

Der Raum versank im Chaos.

Eira kroch rückwärts in die Ecke, den Morgenmantel vergessen, ihre Glieder zitterten, ihr Blick verschwamm. Sie konnte nicht atmen. Konnte nicht schreien.

Fleisch traf auf Faust.

Caius brüllte – etwas Unmenschliches, etwas Uraltes – und schlug wieder und wieder zu, bis der Mann unter ihm nur noch aus Knochen, Blut und Zerstörung bestand.

Cass tauchte hinter ihm auf, die Augen weit aufgerissen vor Entsetzen und etwas, das an Genugtuung grenzte.

Aber Eira war bereits verschwunden.

Sie schnappte sich ihr Kleid, ihren Geldbeutel und den Atem, den sie angehalten hatte, seit sie den Raum betreten hatte.

Dann rannte sie.

Den Flur entlang.

Die Treppe hinunter.

Durch das Foyer.

In die Nacht.

Sie hielt erst an, als die Bäume sie ganz verschluckten und die Dunkelheit sie wie eine alte Freundin begrüßte.

Sie weinte nicht.

Sie brach nicht zusammen.

Sie rannte einfach weiter, tiefer und tiefer, bis sie nur noch ihren eigenen Atem hörte und die Erinnerung daran, wie ihr Name in der Stille hinter ihr zerfiel.

Zurück im Zimmer kniete Caius über dem leblosen Körper, seine Brust bebte, die Hände blutgetränkt. Seine Fäuste waren noch immer geballt, als hätte sein Körper noch nicht begriffen, dass der Kampf vorbei war. Sein Blick war wild, unfokussiert.

Cass trat näher, ihre Stimme war sanft, aber eindringlich. „Caius – er ist tot. Du musst aufhören. Du musst wieder zu dir kommen.“

Er sah sie nicht an. Schien sie nicht zu hören.

Sein Kiefer spannte sich an. Seine Schultern zogen sich fester zusammen.

„Wo ist sie?“, knurrte er.

Cass zuckte zusammen. „Sie ist gerannt –“

Bevor sie ausreden konnte, bewegte sich Caius.

Er sprang auf die Beine und stürmte wie ein entfesseltes Tier zur Tür. Cass versuchte, ihm den Weg zu versperren.

„Du kannst ihr nicht so nachjagen – sie hat Todesangst –“

Er packte sie.

Eine Hand schloss sich um ihren Hals und presste sie mit erschreckender Kraft gegen die Wand. Ihre Füße hoben vom Boden ab. Sie keuchte, krallte sich in sein Handgelenk, aber er drückte nicht zu – er hielt sie nur dort, zitternd vor einer Beherrschung, die er kaum besaß.

Seine Augen glühten.

Seine Stimme, als sie kam, war ein kehliges Knurren. „Wo. Ist. Sie.“

Cass’ Blick wich seinem nicht. Ihre Lippen teilten sich. „Wenn du ihr so nachstellst … wirst du sie verlieren, bevor du sie überhaupt kennst.“

Einen langen, gefährlichen Augenblick lang rührte sich Caius nicht.

Dann, langsam, ließ er sie los.

Cass sank hustend an der Wand zu Boden.

Und Caius stand da, zitternd, und versuchte, an der Wut vorbei zu atmen, die sich durch ihn krallte.

Aber alles, was er schmecken konnte, war sie.

Alles, was er hören konnte, war ihr Davonlaufen.

Seine Muskeln zuckten. Knochen knackten unter der Haut, als die Verwandlung ihn ergriff.

Es war nicht anmutig. Es war nicht sauber. Es war gewaltsam, als hätte das Ding in ihm zu lange gewartet, zu lange gehungert.

Fleisch riss auf. Stoff zerfetztes.

Was sich vom blutverschmierten Boden erhob, war nicht der geschmeidige, silberne Wolf aus den Legenden. Es war pechschwarz, gewaltig wie ein Albtraum, die Augen brannten purpurrot. Eine Kreatur, geboren aus Schatten und Rache.

Caius’ Wolf knurrte einmal – tief und kehlig – und schoss durch die zertrümmerte Tür.

Hinter ihm brach im Bordell Chaos aus, Stimmen schrien, Glas zerbrach.

Aber er hielt nicht an.

Er raste in den Wald, angezogen von dem Einzigen, was zählte.

Ihr.

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