1. DEN TEUFEL TREFFEN

LAYLA

Die Sonne versank hinter den Türmen und tauchte das Glas in orangefarbenes Licht.

Dunkle Wolken zogen über den Himmel und verschlangen die letzten Reste des Tages.

Bald würde alles wieder grau werden.

Layla stand auf dem Hubschrauberlandeplatz, die Arme um sich geschlungen, während der Wind ihr Haar zerzauste.

Der erste Regentropfen traf ihre Wange, gleichzeitig mit der ersten Träne des Tages.

Was konnte sie jetzt tun?

Wie viel mehr konnte sie ertragen?

Wann würde dieser Schmerz sie endlich atmen lassen?

Seit dem Morgen, an dem Lilly auf dem Schulhof zusammengebrochen war, kam Layla jeden Tag hierher.

Als Layla ein Kind war, träumte sie davon, an einem Ort wie diesem zu stehen, hoch über der Welt, wo Glastürme den Himmel berührten. Damals dachte sie, eines Tages würde sie über alles hinauswachsen, was ihr wehtat.

Der Himmel gab ihr früher ein Gefühl von Macht.

Jetzt wollte sie nur noch schreien.

Sie hasste diese Stadt.

Sie hasste die Menschen.

Sie hasste dieses Leben, das ihr keine Gnade gewährte.

Lilly hatte das nicht verdient.

Layla wischte ihre Tränen weg, aber es folgten weitere. Vierundzwanzig Jahre alt und weit entfernt von ihren Träumen. Das Leben war immer ein steiler Aufstieg gewesen, aber Lillys Krankheit machte daraus einen Berg.

Dieser Morgen spielte sich immer wieder in ihrem Kopf ab—Lilly lachte einen Moment, im nächsten war sie bewusstlos.

„Sie wird es nicht schaffen, wenn wir keinen Spender finden,“ hatte ihre beste Freundin, die Ärztin ihrer Tochter, Raya, gesagt.

Warum sie? Warum ihr kleines Mädchen?

Layla blickte in den dunkler werdenden Himmel. „Warum nicht ich?“ flüsterte sie.

Der Donner antwortete.

Wenn sie sterben würde, wer wäre dann für Lilly da? Allein der Gedanke ließ sie erschaudern.

Nein. Das würde sie nicht zulassen. Sie würden das überleben. Sie würden diese Stadt hinter sich lassen, einen Ort finden, an dem es nie regnete, wo das Meer sie nicht erreichen konnte.

Sie atmete tief ein, wischte sich das Gesicht ab und eilte vom Hubschrauberlandeplatz. Sie hatte Raya bereits gebeten, Lilly nach Hause zu bringen. Die Ärztin, ihre einzige echte Freundin in dieser verfluchten Stadt, hatte sanft gelächelt.

„Viel Glück,“ hatte Raya gesagt. „Ich hoffe, er stimmt zu.“

Er wird nicht zustimmen. Das wusste Layla.

Wer würde schon Knochenmark an eine Fremde spenden?

Sie hatten nur zwei passende Spender für Lillys Knochenmark gefunden. Eine Frau und einen Mann. Die Frau hatte die Stadt bereits vor zwei Wochen verlassen. Das ließ nur ihn übrig. Den einen Mann, dem sie geschworen hatte, nie wieder gegenüberzutreten.

Zwei Stunden später, durchnässt vom Nieselregen und Busabgasen, stand Layla vor einem hohen Gebäude, das von einem leuchtenden Z erhellt wurde.

Ihre Handflächen waren schweißnass. Ihr Herz schlug so heftig, dass es wehtat.

Die Leute nannten ihn viele Namen—Zed. Der Teufel. Zaley.

Früher war Ylumia eine Stadt, die glitzerte. Jetzt verneigte sie sich vor ihm.

Niemand wusste, woher er kam, aber man sagte, er sei aus dem Meer aufgestiegen und herrsche wie eine Flut, die alles verschlang. Nachtclubs. Immobilien. Den Hafen. Die ganze Stadt.

Und die Gerüchte… fünfzig Tote. Leichen, die verstümmelt aus dem Ozean gezogen wurden.

Jeder wusste, dass er es war.

Niemand wagte es, es laut auszusprechen.

Und hier war sie, an der Schwelle des Teufels, bereit, um das Leben ihres Kindes zu betteln.

Sie betrat den Club.

Musik donnerte durch ihre Knochen. Lichter pulsierten in Blau, Pink und Violett. Körper bewegten sich im Rhythmus – betrunken, wild, verloren.

Doch was sie als Nächstes sah, ließ sie erstarren.

Nicht nur Tanzen.

Nicht nur Trinken.

Jede Ecke der Sünde lag offen – Hände, Münder, Haut.

Sie wollte sich umdrehen und weglaufen, aber jemand griff um ihre Taille.

„Oh… eine Frau“, lallte er überrascht, dann grinste er. „Entspann dich. Ich zeige dir eine gute Zeit.“

„Nein!“ fauchte sie und zog sich zurück, aber er folgte ihr.

„Komm schon“, sagte er, seine Stimme wurde scharf. „Lass mich sehen, was dieser Mantel versteckt.“

Niemand schaute hin. Niemand kümmerte es.

Sie hatte schon einmal in dieser Stadt geschrien. Damals hörte auch niemand zu.

Als er näher kam, trat sie ihm hart ins Knie. Er keuchte und krümmte sich, aber bevor er sie wieder erreichen konnte, packte ein Türsteher ihn und warf ihn zurück in die Menge.

Layla holte tief Luft. „Danke“, murmelte sie.

Der Türsteher antwortete nicht. Er drehte sich weg.

„Warten Sie“, sagte sie schnell. „Ich muss Zaley sehen. Bitte.“

Er hielt inne. Drehte sich um. Sein Gesichtsausdruck schrie Bist du verrückt?

„Zaley... wie in ZALEY?“

Sie nickte verzweifelt. „Ja. Genau der. Ich muss mit ihm sprechen.“

„Ich arbeite hier seit fünf Jahren“, sagte er und senkte seine Stimme. „Ich habe ihn noch nie gesehen.“

Dann erstarrte er.

„Bis jetzt.“

Layla folgte seinem Blick.

Ein Mann stand in der Nähe der Bar – kalte blaue Augen, Hände in den Taschen, beobachtete sie. Die Menge schien um ihn herum stillzustehen, obwohl die Musik weiter dröhnte.

Er sah aus wie ein Sturm in Ruhe gekleidet.

Ihr Atem stockte. Fünfzehn Tage des Suchens, Bettelns, Meilen um Meilen gelaufen, um eine Chance zu haben, ihn zu sehen – und hier war er.

Ihre Kehle brannte vor Tränen. „Hallo“, brachte sie hervor. „Kann ich kurz mit Ihnen sprechen?“

Er antwortete nicht. Drehte sich einfach um und ging weg.

Layla folgte. „Bitte“, sagte sie, ihre Stimme zitterte.

Er führte sie in einen ruhigen Raum – leer, düster und erstickend.

„Ich gebe keine Interviews“, sagte er. Seine Stimme war tief, rau und fest.

„Ich bin keine Journalistin“, sagte sie schnell. „Ich brauche einen Gefallen.“

„Was bekomme ich dafür?“

Ihr Herz sank. Natürlich würde er das fragen. Was könnte sie ihm schon anbieten?

Er klappte ein Feuerzeug auf. Die Flamme leuchtete sein Gesicht an.

Layla nahm ihr Handy heraus und zeigte ihm das Hintergrundbild. „Das ist meine Tochter.“

Er schaute hin. Für einen Moment huschte etwas Unlesbares über sein Gesicht.

„Sie braucht einen Knochenmarkspender“, sagte Layla leise. „Ihrs ist das einzige passende. Sie ist fünf.“

Stille.

Er starrte sie an, als könnte er nicht entscheiden, ob sie mutig oder töricht war.

Seine Augen fixierten das Foto.

Oh, wie sehr wollte sie das Handy zurückreißen und vor ihm weglaufen.

Sie will ihn nicht in der Nähe ihrer Tochter haben, wenn es nicht wegen der Knochenmarkkompatibilität wäre, die sie beide hatten.

Dann drehte er sich weg. „Schließen Sie die Tür, wenn Sie gehen.“

Ihr Herz brach erneut.

Zum zweiten Mal an diesem Tag.

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