EINS. DER KALTE PROFESSOR

„Psst … Cammila.“

Cammila blickte sich um und runzelte die Stirn, als sie Sarahs Stimme ihren Namen rufen hörte. Sie schüttelte den Kopf, murmelte mit den Lippen, dass Sarah leise sein solle, und wandte sich wieder der Tafel zu, um dem Vortrag ihres Professors zu lauschen.

„Psst … Cammila. Schau mal nach hinten.“

Ein Zettel landete auf ihrem Tisch. Cammila nahm das Papier und blickte mit einem genervten Stirnrunzeln zurück. Sarah grinste sie an und deutete ihr an, den Zettel aufzufalten.

„Hör auf, mich zu stören. Ich muss dem Unterricht von Mr. Coffey folgen.“

Cammila schnaubte, als sie sah, wie ihre Freundin plötzlich den Rücken durchstreckte und so tat, als würde sie sich Notizen zum Vortrag ihres Professors machen. Auf einmal spürte Cammila eine seltsame Stille um sich herum. Alle Studenten starrten sie plötzlich an, und sie hörte nicht mehr, wie Mr. Coffey den Stoff vor der Klasse erklärte.

„Ms. Bennett?“

Cammilas Herz hämmerte wie wild, als sie ein tiefes Grollen neben ihrem Tisch hörte. Langsam drehte sie sich um, und ihr Blick traf sofort auf die ozeanblauen Augen von Shane Coffey, ihrem Professor, der als kalt, aber außerordentlich gut aussehend bekannt war.

„Sie wissen, dass ich es nicht mag, wenn meine Studenten im Unterricht nicht aufpassen. Worüber unterhalten Sie sich mit Ihrer Freundin?“

Shanes Blick fiel auf das zerknitterte Stück Papier in Cammilas Hand. Seine Hand schnellte vor und schnappte sich den zerknüllten Zettel, bevor Cammila es überhaupt realisieren konnte, und er faltete ihn auseinander.

Cammilas Augen weiteten sich vor Schreck. Sie wusste nicht, was auf dem Zettel stand. Aber da er von Sarah kam, war sie sich sicher, dass es etwas Schlimmes war. Und ihr Verdacht schien sich zu bestätigen. Shanes Miene wurde dunkler und kälter.

„Sie besprechen Ihre Gefühle mit Ihrer Freundin?“

Cammila stockte der Atem, als Shane ihr das Papier direkt vor das Gesicht hielt. Sie sah die Zeichnung eines riesigen Herzens mit den Worten: Ich liebe dich, mein sexy Professor. Shane, fickst du mich heute Nacht?

In diesem Moment schien Cammilas ganze Welt zusammenzubrechen. Sie konnte es nicht ertragen, ihrem Professor ins Gesicht zu sehen. Sie senkte den Kopf tief und starrte auf den Boden, um den verurteilenden Blicken ihrer Kommilitonen auszuweichen. Cammila zählte leise bis drei, bevor sie die Strafe hören würde, die sie von ihrem Professor erhalten würde.

„Kommen Sie nach dem Unterricht in mein Büro. Und an alle Studenten in diesem Kurs: Ich werde Ihnen allen ohne zu zögern eine Sechs in meinem Fach geben, wenn so etwas Widerliches noch einmal vorkommt. Verstanden?“

„Ja, Sir“, antworteten alle Studenten gleichzeitig.

Cammila schloss die Augen und biss sich nervös auf die Lippe. Die Angst vor einer Sechs und den verschiedenen sadistischen Strafen, die Shane Coffey ihr nach dem Unterricht auferlegen könnte, verfolgte sie. Sie war fest davon überzeugt, dass sie Shanes Strafe nicht entkommen konnte. Shane war ein gut aussehender und kluger Professor, aber er war sehr diszipliniert und duldete keine Fehler. Alle Studenten auf dem Campus wagten es nur, Shane heimlich zu bewundern.

Cammila hatte Geschichten von einigen ihrer älteren Kommilitonen gehört, die versucht hatten, Shane in seinem Büro anzumachen. Diese Studentinnen wurden schließlich von der Uni verwiesen und würden an keiner anderen Universität in der Stadt mehr angenommen werden, es sei denn, sie zögen ins Ausland.

Den Rest der Vorlesung konnte sich Cammila nicht auf Shanes Erklärungen konzentrieren. Sie malte sich aus, wie ihr Stipendium gestrichen würde und wie sie von ihrer Stiefmutter eine heftige Standpauke bekommen würde, weil sie nun die teuren Studiengebühren zahlen müsste. Cammila verfluchte Sarah für ihre Aufdringlichkeit, die sie in Schwierigkeiten mit dem sexy, aber grausamen Professor gebracht hatte.

„Cami. Hey, es tut mir leid.“

Nachdem der Unterricht vorbei war, kam Sarah auf Cammila zu und legte ihr einen Arm um die Schulter.

„Ich wusste doch nicht, dass dieser sexy Professor uns erwischen würde. Ich bin mir sicher, er hat gerade vorne den Stoff erklärt, als ich dir den Zettel zugeworfen habe. Er macht seinem Ruf als strenger Dozent wirklich alle Ehre.“

„Du hast mich in Schwierigkeiten gebracht“, erwiderte Cammila kühl.

„In den zwei Jahren, die ich hier studiere, hatte ich noch nie irgendwelchen Ärger mit den Dozenten.“

Sie packte ihre Bücher in ihre Tasche. Leise seufzte sie bei dem Gedanken, in Shanes Büro gehen zu müssen, um sich ihre Strafe anzuhören.

„Bist du sauer auf mich?“

„Was meinst du denn? Ich bekomme eine Strafe, Sarah! Ich habe eine Heidenangst. Ich habe da so einige Gerüchte über ihn gehört.“

„Aber das sind nur Gerüchte. Du kannst es ihm doch erklären, wenn du nicht diejenige warst, die auf das Papier geschrieben hat.“

„Du hast etwas Ekelhaftes geschrieben. Ich bin nicht sicher, ob meine Erklärung ihn davon abhalten wird, mich zu bestrafen.“

„Ich bringe dich zu seinem Büro. Aber eigentlich hätte ich nichts dagegen, wenn ich an deiner Stelle zu ihm reinmüsste. Oh mein Gott, du wirst allein mit diesem gut aussehenden Professor in seinem Büro sein, Cammi! Stell dir nur vor, was ihr dort alles anstellen könntet, ohne dass Schaulustige eure traute Zweisamkeit stören“, schlug Sarah die Hände vors Gesicht und begann, sich schmutzige Dinge auszumalen.

„Du spinnst doch.“

Cammila stieß Sarahs Schulter weg und verließ den Hörsaal. Einige ihrer Kommilitonen machten sich sorgenvolle Mienen, während andere gleichgültig aussahen. Cammila war nicht überrascht, dass sie kein Mitleid mit ihr hatten. Sie war keine beliebte Studentin auf dem Campus. Sie war nur eine gewöhnliche Studentin, die zufällig ein Stipendium bekommen hatte, und sie war kein reiches Mädchen. Sie war nur eine Waise, die bei ihrer älteren Schwester und ihrer Stiefmutter lebte, nachdem ihr Vater vor einigen Jahren gestorben war.

„Cammi, warte auf mich.“

„Kannst du mal die Klappe halten? Ich bin schon ganz nervös und mir ist schwindelig, und du quasselst mich die ganze Zeit nur mit Mr. Coffey voll. Was, wenn er mir mein Stipendium entzieht?“

„Beruhige dich. Ich bin sicher, er wird nicht so grausam zu dir sein.“

„Eine aus einem höheren Semester wurde vom Campus verwiesen, als sie Ärger mit Mr. Coffey hatte. Glaubst du, er wird diesmal nett zu mir sein?“

Sarah verzog leise das Gesicht. „Ja, er ist schon ziemlich fies. Verdammt. Warum sind gut aussehende Männer immer so kalt und furchteinflößend? Aber ich frage mich, ob Shane im Bett auch so unheimlich wäre?“

„Sarah, du hast schreckliche Gedanken“, schnaubte Cammila verärgert.

„Hey, gib mir nicht die Schuld. Er sollte kein Professor sein und auf dem Campus unterrichten, wenn er aussieht wie die heißen Typen aus einem Playboy-Magazin. Mein Gott, ich möchte in seinen harten Bizeps beißen. Jedes Mal, wenn er an die Tafel schreibt, scheinen seine Hemdsärmel seinen riesigen Bizeps kaum fassen zu können. Und eine der Studentinnen hat ihn einmal oberkörperfrei im Schwimmbad gesehen. Sie hat ein Foto gemacht und es in der Chatgruppe verbreitet.“

„Welche Chatgruppe?“

Sarah blickte nach links und rechts, als ob die Leute um sie herum sich für sie interessieren und ihr Gespräch belauschen würden. Dann zog sie Cammila in eine abgelegene Ecke im Flur des Campus und holte ihr Handy hervor.

„Pssst … Das ist geheim. Wir haben eine Chatgruppe für unsere wilden Fantasien.“

„Fantasien über Mr. Coffey?“

Cammila starrte Sarah fassungslos an, als diese ihr den erschreckenden Inhalt ihrer Chatgruppe zeigte. Es gab mehrere Fotos von Shane aus verschiedenen Blickwinkeln, während er im Unterricht lehrte oder durch den Campusflur ging. Die meisten Gruppenmitglieder kommentierten die Fotos mit anzüglichen Sprüchen und Emoticons, die Cammila angewidert auflachen ließen.

„Willst du der Gruppe auch beitreten? Ich sage dem Admin, dass er dich hinzufügen soll.“

„Nein, danke. Kein Interesse“, nahm Cammila Sarah das Handy aus der Hand und ging weiter in Richtung von Shanes Büro.

„Tsk, du bist komisch. Du bist die einzige Studentin hier, die sich nicht von Shanes gutem Aussehen angezogen fühlt. Bist du lesbisch?“, versuchte Sarah, mit Cammilas sehr schnellen Schritten mitzuhalten.

„Sei still. Ich stehe immer noch auf gut aussehende Typen, okay? Aber dieser Professor ist nicht mein Typ. Geh schon mal in die Mensa. Ich komme nach, wenn ich mit Mr. Coffey fertig bin.“

„Bist du sicher, dass du keine Begleitung brauchst? Ich sage Mr. Coffey, dass du nicht diejenige warst, die auf das Papier geschrieben hat.“

„Schon gut. Ich stelle mich dem allein. Du brauchst dir keine Sorgen um mich zu machen.“

Sarah umarmte Cammila und sprach ihr Mut zu, bevor sie sich auf den Weg zur Mensa machte.

Cammila seufzte leise vor Shanes fest verschlossener Bürotür. Allein schon seinen Namen zu lesen, der an der Vorderseite der Tür prangte, schüchterte sie ein. Professor Shane A. Coffey. Mit laut pochendem Herzen klopfte Cammila dreimal. Shanes kalte Stimme drang von drinnen nach draußen und forderte Cammila auf, sein Büro zu betreten. Die Tür öffnete sich langsam, als Cammila sie aufstieß. Und der Anblick von Shane hinter der Tür ließ ihr das Herz beinahe aus der Brust springen.

„Sie sind suspendiert. Sie haben es verdammt noch mal nicht verdient, hier zu sein.“

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